Mittwoch, 20. April 2016

Das ist so ein ganz besonderer Zauber

James Laing und Anna Dennis über altmodische Kurorte und die traditionelle Aufführungspraxis

Am 8. Mai gibt es bei den Händel-Festspielen eine doppelte Premiere. Das Festival ist zum ersten Mal in Bad Lauterberg zu Gast und zum ersten Mal gibt es ein Opern-Café. Erst fachsimpeln die Sopranistin anna Dennis und der Countertenor James Laing bei Kaffee und Kuchen mit dem Publikum. Dann stellen sie ihre liebsten Arien von Händel und Scarlatti vor. Ich traf die beiden vor Ort.

Mrs. Dennis, Mister Laing, sie haben sich gerade im Kurhaus Bad Lauterberg umgeschaut. Wie ist ihr erster Eindruck?

Anna Dennis: Dieser Raum ist fantastisch. Aber das Umfeld gefällt mir noch mehr. Als wir gerade im Park, haben wir beide uns sofort angeregt darüber unterhalten, woran uns dieser Park erinnert. Zusammen sind wir dann auf die Kurorte in Nordengland gekommen. Ich glaube, in Buxton ist ein Garten, der diesem sehr ähnlich sieht.

James Laing: Doch stimmt, der Park in Buxton ist sehr ähnlich. Das ganze Umfeld wirkt auch dort sehr wohl situiert.

Verknüpfen Sie positive Erfahrungen mit diesem Kurstädten?

Dennis: Meine Großeltern haben dort Urlaub gemacht und mich als kleines Kind gelegentlich mitgenommen. Sie liebten diese besondere Atmosphäre und den Tanztee am Nachmittag. Dort gab es einen Saal, der diesem sehr ähnlich sah. Das ist bestimmt ein gutes Vorzeichen.

Was ist die besondere besondere Atmosphäre dieses Ortes hier?

Dennis: Er ist auf eine charmante Art und Weise altmodisch und strahlt eine gewisse Eleganz aus.

Laing: Ja, das ist wirklich das Besondere an diesem Kurorten.

Vor dem Konzert am 8. Mai wird es Kaffee, Kuchen und Gespräche mit dem Publikum geben. Haben Sie schon einmal eine ähnliche Veranstaltung gehabt?

Dennis: Nein, ich glaube nicht. Ich habe noch nie gesungen, während das Publikum speist. Das ist neu und spannend für mich.

James und Anna lieben den besonderen Charme des
Kurparks.    Foto: tok
Laing: Doch, ich hatte schon einmal eine ähnliche Veranstaltung. Das war in einem sehr schrägen Kabarett. Im Programm waren damals Zauberer, Jongleure und andere Kleinkünstler. Ich habe diesen Abend beendet, als ich auf die Bühne kam und die Arie “Ombra mai fu” von Händel sang. Plötzlich waren alle Gespräche beendet und alle ganz still.
So außergewöhnlich ist die Veranstaltung aber nicht. Zu Händels Zeiten war es üblich, dass man während eines Konzerte gegessen und getrunken hat. Damit ist der Nachmittag hier im Kurhaus ganz authentisch.

Glauben sie, dass diese Veranstaltungsform der richtige Weg ist, Händel einem anderen Publikum nährer zu bringen?

Laing: Ich glaube, dass es gar keinen falschen Weg, um Händel mal einem anderen Publikum vorzustellen. Das ist Musik für alle

Dennis: Ich denke, dass es immer noch falsche Vorstellungen über Händels Musik gibt. Die meisten glauben, dass sein Werke lang und kompliziert sind und sie langen und komplizierten Stücken zuhören müssten. Das stimmt gar nicht. In unserem Programm “Liebliche Musik” am 8. Mai haben wir eine ganze Reihe von Werken, die ausgesprochen kurz sind. Es ist eine Einladung, entspannt die Verbindung zwischen Kuchen und Händel kennen zu lernen.

Das Konzert wird 60 Minuten dauern. Wie viele vom Zauber eine Händelschen Oper können sie in solch eine kurze Dauer pressen?

Laing: Das ist wohl ein Missverständnis. Wir singen an diesem Nachmittag überhaupt nichts us der Festspieloper “Imeneo” . Wir haben an diesem Nachmittag einige Lieder von Händel, aber auch von seinen Zeitgenossen wie Scarlatti auf dem Liederzettel.

Dennis: Wenn es passt, dann werden wir ein Duett aus der Oper singen, ein sehr zartes und liebliches Duett. Aber fest eingeplant ist es noch nicht. Bei der Programmgestaltung haben uns die Festspielleitung und der Kulturkreis völlige Freiheit gelassen und wir haben uns dann für diesen Weg entschieden.

Warum sollten junge Menschen im 21. Jahrhundert Händel hören oder Scarlatti?

Laing: Die Themen sind immer noch dieselben wie im 18. Jahrhundert. Wir machen immer noch die Erfahrung von Liebe und Verlust. Dazu hat Händel eine ausschweifende Musik geschrieben. Das sind sehr melodische Werke, denen man leicht folgen. Dazu sind die Texte doch sehr deutlich,  ausdrucksstark und metaphgorisch zugleich. Das ist auf keine Altersgruppe beschränkt.

Dennis: Nehmen wir mal die Geschichte der diesjährigen Festspieloper “Imeneo”. Das ist eine Dreiecksgeschichte, eine Frau, die zwischen zwei Männer steht und sich entscheiden muss zwischen Pfilcht und dem Ruf des Herzens.
Oder letzte Jahr “Agrippina”. Das ist eine Oper, über eine Frau, die  nicht so funktioniert wie man es von ihr erwartet. Das sind doch alles Geschichte, die es auch im Reality-Fernsehen gibt. Menschen, die außer der Norm agieren, die illoyal sind und ihre Mitmenschen belügen. Das sind Händels Themen und das sind die Themen der modernen Pop-Kultur.

Laurence Cummings lotste James Laing nach
Göttingen.     Foto: Festspiele
Gehen wir doch mal näher auf die Festspieloper ein. Imeneo ist ein selten aufgeführtes Werk. Wo liegen seine Reize?

Laing:  Es ist ein musikalisches starkes Werk. Für Händels markiert Imeneo einen Wendepunkt. Es ist seine vorletzte Oper, dann folgte die lange Reihe von  wundervolle Oratorien. Händel hatte erkannt, dass das Publikum nichts mehr mit langen Texten anfangen konnte. Deswegen gibt es so wenige Rezitative. Aber vielleicht wird sie so selten gespielt, weil die Geschichte von Anfang an feststeht.

Dennis. Ja, das stimmt. Meine einzige Aufgabe in der Rolle der Rosmene ist es, die Entscheiodung zwischen Imeneo und Tirinto zu treffen. Die ganze Handlung konzentriert sich auf diese drei Personen und das ist außergewöhnlich für Händel. Ich aber liebe es, in Trios zu singen. Überhaupt gibt es nur 5 Personen mit einer tragenden Rolle, das ist genauso außergewöhnlich.
Imenoe hat eine ganze Reihe von großartigen Szenen und vor allem schnellen Szenen. Das liegt daran, dass es wenig Rezitative und jede Menge Arien gibt und die Arien, die rollen manchmal heran wie eine mächtige Welle. Das ist großartig.

Die Regisseurin Sigrid T`Hooft gilt als Spezialistin für traditionelle Auzfführungspraxis. Was macht die Arbeit mir ihr so besonders?

Dennis: Es ist eine Zusammenarbeit, die sich stark unterscheidet von anderen. Bei anderen Regisseuren beginnt die Arbeit mit Improvisationen und dem Hineinfühlen in die Rolle. Sigrid hingegen zeigt uns erst ein Gerüst. Denn es ist klar, dass es in der Aufführung doch klare Grenzen gibt, die man normalerweise nicht überschreiten kann.
Sigrid sagt, dass die Hände die zweite Stimme sind und sie zeigt uns, wie wir während des Singens richtig einsetzen. Damit eröffnet sie eine neue Dimension des Ausdrucks. Uns zu zeigen, wie wir unsere Mittel richtig einsetzten, dass macht sie so charismatisch und ausdrucksstark. Dabei ermuntert sie uns wieder immer . Anfangs fand ich ihre Arbeitsweise gewöhnungsbedürftig, aber nun weiß ich, dass ich bei ihr viele Dinge gelernt habe, die ich bei zeitgenössischen oder experimentellen Produktionen einsetzten kann. Ich habe unter anderem gelernt, wie viel Kraft auch in den kleinen Dingen stecken kann.

Mrs Laing, Sie sind schon auf dem Händel-Festival in London aufgetreten. Was zieht Sie nun nach Göttingen und was erwarten Sie von Göttingen?

Laing: Die guten Berichte ziehen mich nach Göttingen. Meine Freunde und Kollegen haben hier schon gesungen und ich hatte den Wunsch, nach Göttingen zu kommen, auch schon seit Jahren. Aber es hat nie gepasst. Nun habe ich vor zwei Jahren mit Laurence Cummings, Göttingens musikalischen Leiter, zusammengearbeitet. Er sagte damals ‘Göttingen 2016, Imeneo, du bist dabei’ und ich habe nur geantwortet ‘Yes, yes, yes’.
Dann habe ich mit Laurence noch einmal die Rolle genau angeschaut, denn Tirinto singt schon sehr, sehr hoch. Nun bin ich bestens vorbereitet und ich freue mich auf die Festspiele. Erwartungen habe ich keine konkreten. Für mich ist es einfach großartig, hier singen zu dürfen.

Mrs. Dennis, was zieht Sie immer wieder nach Göttingen?

Dennis: Es ist ein magischer Platz. Ich bin jetzt das vierte Mal bei dem Händel-Festspielen und mittlerweile ist fühle schon richtig wie zu Hause. Die Festivalleitung und alle Menschen drumherum, die sind so unglaublich hilfsbereit.
Auch die Stadt und das Umland ist schön. Ich verbringe viel Zeit mit Waldspaziergängen und lausche dabei den Vögeln. Normalweise arbeiten wir in sehr großen Städten auf der ganzen Welt, das ist ohne Frage auch aufregend. Aber nur in  Göttingen kann ich nach den Proben einfach rausgehen in die Natur. Je länger ich hier bin, desto entspannter bin ich.

Ich danken für das Gespräch.  



Die Händel-Festspiele Göttingen
Das Opern-Café
Imeneo, die Oper

Ein Hörbeispiel