Mittwoch, 6. Mai 2015

"Ich bin noch ganz alte Schule "

Jörg Knör über Spontanität und den Respekt vor dem Publikum


Als ich im Vorfeld des Auftritt  von Jörg Knör das Angebot eines Telefoninterviews bekam, sagte ich natürlich so fort zu. Für viele meiner Generation ist Parodie und Knör ein untrennbares Paar.


Mit einigen Anlaufschwierigkeiten kam das Gespräch dann doch noch zustande. Knör stellte sich als Interviewpartner heraus, der auch weit über den Job hinausdenkt. Wir sprachen über Prominente, Vergessene und die Veränderungen im Job.


Herr Knör, zum Auftritt haben Sie mal so eben die Aegidienkirche und eine Hexe gezeichnet. Ist das ein besonderes Gastgeschenk an Osterode?


Dort, wo es sich anbietet, dort mache fast immer etwas mit lokalen Bezug. Hier habe ich eben etwas gezeichnet. Es ist schon etwas Besonderes, weil es auch Orte gibt, an denen ich so oft war, dass mir da nichts mehr einfällt.


Jörg Knör kann auch zeichnen.
Foto: Knör
Sie beschäftigen sich vorab mit den Auftrittsorten?


Ja, ich bin immer auf dre Suche nach etwas Aktuellen. Das fließt dann in vielfältiger Form in die Show ein. Hier habe ich ja auch einen analogen Anteil und manchesmal entsteht eben etwas an der Staffelei. Manchmal kommt auch etwas aus dem Publikum, das ich aufgreife.


Also spielt Spontanität eine große Rolle in ihrer Show?


Ja, aber die Spontanität ist eingebunden in einer sichere Inszenierung.


Warum machen Sie sich die Mühe?


Es gibt mehrere Gründe. Ich will immer die Erstbesteigung, ich will kein Programm abspulen. Aber es ist auch eine Form der Höflichkeit und des Respekts gegenüber dem Gastspielort und dem Publikum. Da bin ich noch ganz alte Schule, das habe ich von Rudi Carrell gelernt. Die Herzen der Menschen öffnen sich, wenn sich der Sachen annimmt, die ihnen auf der Seele brennen.


Fernseh-Studio oder Bühne? Was ist ihnen lieber?


Eindeutig die Bühne. Sie ist die beste und die treueste Geliebte. Wo sonst kann man selbst nach zweieinhalb Stunden Programm noch Begeisterung entfachen. Ich kann mir kaum Sinnvolleres vorstellen.
Im Fernsehen ist man in ein Korsett eingebunden, zeitlich, thematisch. Spontanität ist im Fernsehen nicht vorgesehen. Auf der Bühne ist die einzige Einschränkung der Geschmack, der eigene und vor allem der, des Publikums.


Karikaturen, Zeichnung und Parodien. Wie lautet ihre Berufsbezeichnung?


Suchen sie was aus, aber das sind nur einige Bezeichnungen und Comedian ist vielleicht zu modern. Den einzigen Begriff, den sie nicht verwenden sollten, ist Imitator. Da werde ich wirklich zickig. Ich bin eine Persönlichkeit und ich stehe seit 37 Jahren auf der Bühne. Da ist Imitator schlicht und einfach ein Beleidigung. Niemand hätte Loriot als Imitator bezeichnet und der ist auch in unendliche viele Rollen geschlüpft.


70 verschiedene Rollen: Knör ist
ein Chamäleon. Fotos: knoer.de
Wo liegt nach so langer Zeit ihre Motivation?


Es ist mein Ehrgeiz, das Publikum für zweieinhalb Stunden aus den Alltag zu holen. Wenn die Zuschauer am Ende des Programms ein wenig gelacht haben, dann habe ich schon viel erreicht. Jeder hat ein Stück Welt um sich herum und wenn es einigermaßen in Ordnung ist, dann ist das Leben positiv. Die ganze Welt ändern, so ein großes Rad können wir gar nicht drehen.


Ist es nach so langer Zeit einfach, immer wieder ein neues Programm zu machen?


Doch, die alten Kamellen fliegen einfach raus und werden durch neue Geschichten ersetzt. Ich habe ungefähr 70 Prominente im Stall stechen. Deren Namen habe ich bei Google Alert eingegeben und wenn über die irgendwo etwas veröffentlicht wird, dann werde ich benachrichtigt.Dann muss ich noch entscheiden, ob die Meldung es wert ist, verarbeitet zu werden.


Und was macht Inge Meisel?


Gut, die Frau Meisel, die gibt es immer noch. Das Publikum fordert es ein. Irgendjemand ruft “Frau Meisel” rein, andere stimmen ein und dann mache ich die Frau Meisel als Zugabe.


Ihr aktuelles Programm heißt “Vip Vip Hurra”. Wer kommt darin vor?


Alle Prominenten, die eine aktuelle Geschichte zu bieten haben. Da gehört auch Helmut Schmidt dazu, seitdem er zugegeben hat, mindestens eine Geliebte gehabt zu haben. Ich denke ja, dass es weit mehr waren.
Ulrich Tukur, weil er den Grzimek gemacht hat und dafür den Grimme-Preis bekam. Ach Gott, was habe ich Grzimek geliebt. Oder auch Heino, weil er jetzt bei DSDS mitmacht.


Was hat sich in den 37 Jahren, in denen sie nun auf der Bühne stehen, alles geändert?


Das Tempo, die Taktung, die ist eindeutig höher geworden. Das ist ein Folge der Medien. Ich muss mehr Nummern machen und lange Geschichten, die kann ich nicht mehr entwickeln. Das Publikum hat keine Geduld mehr.
Außerdem gibt es weniger Tabus als früher und das ist gut so. Die Leutesind nicht mehr so verklemmt  haben kein Problem mehr damit. über Sexualität zu reden oder über körperliche Gebrechen, zumindest bis zu einer Grenze.


Sie und das Fernsehen, das ist offensichtlich keine einfache Beziehung.


Die TV-Präsenz entscheidet immer noch über den Erfolg. Dabei wird das Zuschauerfenster aber immer kleiner. Es gibt vielleicht 5 bis 6 gute Ideen im Fernsehen und die werden bis ins Unendliche durchgeorgelt. Auf der anderen Seite kenne ich eine ganze Reihe, von Kollegen, die wirklich gut sind, die aber kaum Chancen haben, weil sie nicht in das Fernseh-Korsett passen.
Ich passe da auch nicht rein. Ich will mal ganz unbescheiden sagen, dass ich zu vielfältig bin. Um fernsehgerecht zu sein, muss ein Comedian monothematisch sein. Ich bin da eher die Wundertüte.


Aber das Internet bietet doch eine ganze Reihe von neuen Chancen?


Ja, das stimmt. Für Jugendlich mag es reichen, wenn sie sich gegenseitig abfilme. Ich habe Qualitätsansprüche an meine Arbeit und das verlangt auch im Internet Arbeit und vor allem Geld. Was man machen kann, das sehen sie in meinen Karl-Lagerfeld-Filmen bei youtube.


Das Bühnenbild erinnert an eine bekannte Talkshow.
Ihr Bühnenbild, das sieht so eindeutig nach “Beckmann” aus. Hat sich Herr Beckmann schon beschwert?


Nein, warum auch? Auch Harald Schmidt hatte schon diese Backstein-Optik. Das Bühnenbild soll vor allem eine neutrale Stimmung vermitteln und das macht es. Egal, ob ich in einem Gemeindesaal spiele oder in einer großen Halle. Wenn das Licht ausgeht, dass muss es passen und das tut es.
Und die Bühne ist auch ein wenig mein Zuhause und im Bühnenbild muss ich mich wohlfühlen.


Hat sich schon einmal ein Promi darüber beschwert, dass sie ihn nicht parodiert haben?


Nein, offen nicht. Aber ich hatte in den 90er Jahren mal ein Erlebnis mit Otto. Der war damals gerade nicht so recht im Geschäft. Er kann damals in meine Show, saß neben meiner Ex-Frau und fragte sie immer wieder “Wann komm’ ich dran? Wann komm’ ich  dran?”. Meine Frau sagte ihm damals, das er in der zweiten Hälfte dran sei. Das erzählte sie mir in der Pause und so konnte ich noch eine alte Otto-Nummer in die Show einbauen.
Die meisten freuen ich doch darüber, wenn ich mich mit ihnen beschäftige. Die Parodie ist auch eine Form der Würdigung und ein Stück Zuneigung. Wenn Otto Waalkes oder Udo Lindenberg in der Stadt sind, dann laden sie mich ein und wir verbringen dann einen freundschaftlichen Abend.


Herr Knör, wir danken Ihnen für das Gespräch.




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