Dienstag, 8. April 2014

Puri: Das ist eine humorvolle Rückschau und eine persönliche Katharsis

Deutsche Frauen heiraten häufig nach oben

Aufmerksam auf Nina Puri wurde ich 2011 nach der Veröffentlichung von "Tischlein, leck mich", eine amüsante Betrachtung über die Adiletten-Jogginghosen-Klingelton-Gesellschaft in ihren vielfältigen Ausprägungen. Wir hatten damals ein ausgesprochen angenehmes Gespräch zu diesem Thema. Bei Gelegenheit werde ich noch mal in die Tiefen meines Archivs abtauchen, um dieses Interview zu bergen und wieder journalistisch flott zu machen.
Lange Vorrede, kurzer Sinn. Anfang 2014 konnte ich erfreut feststellen, dass die Wahl-Hamburgerin ein neues Buch vorgelegt hat und das zu einem Thema, das sonst nur mit missionarischen Eifer bearbeitet wird: Erziehung und Erwerbstätigkeit. Nicht zuletzt als bekenneder Vater bemühte ich mich umgehend um Kontakt zur Autorin. Nach Ferien, flugreise und Zeitverschiebung fand das Interview Mitte März 2014 statt. Auch dieses Mal war das Gespräch entspannt aber sachorientiert. Nichtsdestotrotz steckt hinter manch netter Formulierung auch eine unangenehme Realität. Das kann nicht jede.


Frau Puri, dürfen auch Männer ihr Buch lesen?


Ja, das sollen sie sogar. Es richtet sich nämlich erst einmal an alle Berufstätigen mit Kinder und beleuchtet viele Seiten.  Es gibt auch arme Männer.


Aber trotzdem gibt es im Buch viele direkte Anrede an Frauen und Mütter.


Das liegt daran, dass Frauen aus meiner Sicht viel zu viel jammern. Viele Frauen gefallen sich in der Opferrolle. Aber Verzagen führt zu nichts und deswegen wollte ich das Problem mal mit einem Augenzwinkern betrachten.


Nina Puri ist trotz der Grabenlämpfe
ganz entspannt. Fotos: Verlag
Laufen Sie mit solchen Thesen nicht Gefahr als Verräterin der Frauensache gesteinigt zu werden?


Das kann schon sein. Mütter haben gerade in Deutschland die ungesunde Angewohnheit, sich gegenseitig klein zu halten. Änderungen an dem Mutterzustand sind nichterlaubt. Für mich ist das Verschwesterung auf niedrigstem Niveau. Das wird spätestens dann deutlich, wenn eine Frau in solcher einer Mütterrunde sagt, dass sie künftig eine Stunde mehr oder auch weniger arbeiten will. Welche Emotionen dann hochkommen, dass ist schon erstaunlich.


Wie können Sie angesichts solcher Grabenkämpfe so entspannt an das Thema herangehen?


Es ist eine rückblickende Heiterkeit. Natürlich habe ich in dem Buch meine Erfahrungen als berufstätige Mutter verarbeitet. Als solche wurde ich immer mit verkrampften Fragen konfrontiert und ständig versuchte man, mir ein schlechtes Gewissen einzureden. Diese Situation war mir völlig unbekannt.


Warum?


Meine Mutter war auch berufstätig, anfangs halbtags, später ganztags. Das war in Großbritannien kein Problem, weil es damals dort schon Ganztagschulen mit Mittagessen und allen drumherum gab. Das Frauen wegen der Kinder zu Hause bleiben, das habe ich erst in Deutschland kennengelernt.
Außerdem gibt es im Deutschen Ausdrücke, die finden sich in keiner anderen Sprache. Dazu gehören weggeben, Rabenmutter oder auch Fremdbetreuung. In diese Kategorie gehört auch die Frage “Warum hat sie sich dann ein Kind angeschafft?”. So kommt zur moralischen auch die verbale Keule.


Wieso ist bei vielen Frauen die Karriere im Eimerchen, wenn das erste Kind kommt?


In Deutschland heiraten Frauen in aller Regel immer noch nach oben. Da ist die eigene Karriere nur eine Option, die frau schnell aufgeben kann. Die Väter gehen in Teilzeit, Frauen entdecken für sich das Projekt Mutter sein und katapultieren sich um mehrere Zeitalter zurück. Auf der anderen Seite muss dieses Projekt gelingen. Da muss alles stimmen und so kommt Druck von außen, da bauen Mütter einen enormen für sich und ihre Kinder auf.


Wenn die Väter in Teilzeit sind, dann könnten sich die Eltern die Aufgaben teilen. Das ist doch eigentlich ganz einfach.


Theoretisch schon, aber in der Praxis bleibt der Haushalt doch an der Ehefrau kleben. Väter sind für die spektakulären Einzelaktionen zuständig, Mütter für den alltäglichen Kleinkram und für die Elternabende. Wenn Väter in Elternzeit gehen, dann nutzen sie die Phase für einen ausgiebigen Urlaub, Frauen kümmern sich um die Familie Soziologen bezeichnen diese Lücke  zwischen Wunsch und männlicher Realität als Verhaltensstarre bei verbaler Aufgeschlossenheit.


Könnte fast der Anlass für
ein Shit-Stürmchen sein.
Was muss geschehen, damit nicht mehr so viele Karrieren im Eimerchen sind, wenn die Kinder kommen?


Das ist schwer, denn es gibt nicht eine Gruppe, die an der Situation schuld ist. Aber eine Möglichkeit wären mehr Jobs mit flexiblen Arbeitszeiten. Was wir sicherlich nicht brauchen, sind Mini-Jobs oder Midi-Jobs, das ist nur eine Sackgasse. Waswir auch nicht brauchen, sind so komische Einrichtungen wie das Betreuungsgeld, dass nur dafür sorgen soll, dass Mütter zuhause bleiben.Was wir brauchen, sind Kindertagesstätten, in die die Kinder gern gehen und in die Eltern ihr Kinder gerne geben.


Wird ihr Buch dazu beitragen, die Lage an der Elternfront zu entspannen?


Dazu kann ich keine Prognose abgeben. Es ist nur eine humorvolle Beschreibung der Situation und keine Arbeit mit der Keule. Es ist zum Teil eine persönliche Katharsis, denn ich bin schon ein wenig müde vom Sturm.

Ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview fand im März 2014 statt.

Die Autorin
Das Buch