Freitag, 28. November 2014

Es wird noch einige Solo-Projekte geben

Peter "Eingehängt" Meyer zur Abschiedstournee der Puhdys

Zwei Dinge hätte ich nicht gedacht. 
A) Dass ich so schnell wieder mit Eingehängt von den Puhdys sprechen werde.
B) Dass die Jungs es nun ernst meinen mit dem Aufhören.

Als ich also die Meldung bekam, dass die Puhdys im Frühjahr 2015 auf Abschiedstournee sind, hatte ich das Thema für ein weiteres Interview mit dem Rock-Urgestein. Zwei E-Mails mit dem Veranstalter, eine Telefonnummer, ein Anruf, ein "warte, ich fahr mal recht's ran" und schon waren wir mitten drin im Gespräch.

Herr Meyer, als wir vor einem Jahr miteinander sprachen, da dementierten Sie alle Trennungsgerüchte. Nun sind die Puhdys doch bald auf Abschiedstournee. Was hat den Sinneswandel gebracht?

Wir haben im Frühjahr zusammengesessen und hin und her überlegt, wie es weitergehen soll und dann kam einfach der Beschluss, aufzuhören. Der war noch nicht einmal spontan, aber es gab auch keinen konkreten Anlass, es hatte sich eben schon angedeutet.


Eingehängt überlegt noch, was er in der
Zeit nach den Puhdys macht. Foto: Agentur
Ist nach 50 Jahren Bandgeschichte einfach die Luft raus?

Nee, nee, es sind noch nicht 50 Jahre, es sind erst 45 Jahre, aber auch die reichen. Bei den Puhdys zählt erst die Zeit ab 1969, die Udo-Wendel-Combo rechnen wir nicht mit. Aber auch so sind es viele Jahre, vor allem, wenn man bedenkt, was in der Zeit alles passiert ist.

Haben Sie schon Planung für die Zeit nach den Puhdys?

Ich weiß noch nicht, was ich dann anfange. Aber Maschine, der hat schon eine Solo-CD in der Vorbereitung, der ist auch der Typ dafür, Quaster übrigens auch.

Sie arbeiten wirklich an keinem Solo-Projekt?

Nee, wirklich nicht. Ich habe neulich einen Saxofon-Spieler kennengelernt, Name fällt mir gerade nicht ein, der hat jedenfalls mit 83 Jahren seine erste eigene Platte herausgebracht. Also habe ich noch ein paar Jahre Zeit.

Was bringt uns die Abschiedstournee?

Na, das Motto ist Puhdys akustisch oder unplugged, wie auch sagt. Wir haben zum Beispiel keine E-Gitarren dabei. Es wird alles kleiner und ruhiger sein, aber auch intensiver,

Also stehen sie nur zu fünft auf der Bühne.

Nein, wir haben schon ein paar Gäste dabei, unter anderem die Söhne meiner Kollegen. Es war gar nicht einfach, Gastmusiker zu bekommen, die auf solch einer langen Tournee mit dabei sein können. Also,  den richtigen Pianisten zu bekommen, das war schon ein Problem.
Und noch etwas ist schwierig. Die jungen Leute spielen heute eine andere Stilistik wie wir. Da mussten wir uns erst einmal auf einander einspielen.


In dieser Zusammensetzung wird es die Puhdys nur
noch bis zum nächsten Jahr geben.
Wie hört sich die andere Stilistik an?

Das kann ich jetzt so ohne Instrument schwer erklären. Es ist eben anders, das merkt besonders am Schlagzeug. Aber wir haben reichlich geprobt und voneinander gelernt. Doch, auch nach all den Jahren ist Musikmachen auch immer noch ein Lernprozess.

Im April spielen Sie in Northeim. Verbinden Sie etwas mit der Stadt?

Doch, ich weiß, dass wir dort viele Termine hatten, dass wir oft  und schon sehr früh in Northeim waren. Da waren wir sogar mal im Tonstudio von Günter Pauler. Gibt's das eigentlich noch. Na ja, auf jeden Fall ist Northeim  eine besondere Stadt für die Puhdys.

Der Kreis schließt sich. 1978 waren die Puhdys das erste Rockkonzert in der Geschichte der Stadthalle Northeim. 2015 werden die Puhdys das letzte Konzert in der Stadthalle sein. Dann wird sie geschlossen. Stimmt Sie das traurig?

Das wusste ja noch gar nicht. Es ist immer traurig, wenn solch eine Einrichtung zugemacht wird. Wer weiß, was da für Erinnerung mit der Halle verbunden sind, also nicht nur für mich und die Puhdys, sondern für all die tausende von Konzertbesucher. Wir werden sicherlich die ein oder andere Träne wegdrücken, trotzdem werden wir unseren Spaß haben und ordentlich feiern.

Herr Meyer, ich danke Ihnen für das Gespräch.


Das erste Interview mit Eingehängt aus dem November 2013



Die Puhdys bei Wikipedia

Die Website der Band

Die Kritik zum Konzert


Ach so, etwa anderes hätte ich auch nie gedacht:
C) Dass Northeim seine Stadthalle wirklich dicht macht.


Dienstag, 25. November 2014

Handwerker, die kommen von einem anderen Planeten

Ralf Schmitz zu seinen Erfahrungen mit Handwerker und anderen Heimsuchungen


Es ist keine anderthalb Jahre her, dass ich das letzte Mal mit Ralf Schmitz gesprochen hatte und ich hatte ihn als angenehmen Gesprächspartner in Erinnerung. Deswegen ergriff ich die Gelegenheit beim Schopf und bemühte mich um einen Interviewtermin, als er wieder in der Region war. Und meine Erinnerung täuschte mich nicht. Wir sprachen über ein Thema, dass Männer verbindet: Harte Arbeit am eigenen Heim.


Herr Schmitz, darf ich Ihnen noch nachträglich zum Geburtstag gratulieren?


Sie dürfen mir immer gratulieren und zu allen möglichen. Aber jetzt mal konkret. Vielen Dank und wir haben ordentlich gefeiert.


Werden Sie jetzt ruhiger?


Also 40 Jahre, das ist schon eine Marke, aber ich sehe das gelassen. Viele Freunde haben gesagt, dass sie sich noch genau an ihren 40. Geburtstag erinnern können. Aber für mich ist das nicht schrecklich. Es ist egal ob man 30, 40 oder 50 ist. Wichtig ist, dass man weiß, was man will. Dann ist alles gut. Aber ich muss auch zugeben, dass man mit dem Alter eine gewisse Gelassenheit entwickelt. Das macht vieles einfacher.


Ralf Schmitz macht sich über viele
Sachen so seine Gedanken ...

Foto: Robert Becker
In diesem Jahr sind Sie mit Schmitz’ Häuschen unterwegs, letztes Jahr um diese Zeit war es noch Schmitz Mama, zwischendurch haben Sie ein Haus renoviert und ein Buch darüber geschrieben. Haben Sie auch mal Zeit zum Ausruhen?


Es ist schön, nach Hause zu kommen, zu entspannen und in Ruhe Luft zu schnappen. Doch, doch, ich liebe es, mich in die Ecke zu setzten und so etwas altmodisches tun wie ein Buch lesen. Aber ein spannendes Buch muss es sein, da kann ich dann Energie tanken und Ideen entwickeln.


Das klingt aber doch ein wenig nach älter und gesetzter werden.


Na ja, ein eigenes Haus, das ist schon etwas. Das muss ich zugeben.


Nun haben sie das eigene Haus selbst renoviert. Haben Sie in der Zeit eine Vorliebe für Werkzeuge entwickelt?


Ja, die Rohrzange, ach und vor allem das Teppichmesser. So ein Messer ist vielseitig verwendbar und Sie machen sich bestimmt keine Vorstellungen darüber wozu man ein Teppichmesser noch verwenden kann.


Dann erzählen Sie doch mal einen Verwendungszweck.


Also, mit dem Teppichmesser habe ich mal Brötchen aufgeschnitten. Wir hatten kein sauberes Besteck im Haus und dann habe ich am Teppichmesser die Klinge ein wenig rausgeschoben und Brötchen geschnitten und dann habe ich damit die Marmelade auf die Brötchen gespachtelt.


Und was macht Ralf Schmitz mit einer Rohrzange?

Das, was viele andere auch damit machen. An der Rohrzange gibt es so viele Einstellmöglichkeiten, die ist vielseitig einsetzbar. Einmal haben wir versucht, damit eine Dose zu öffnen. Das hat aber nicht so richtig geklappt.
Aber es gibt noch andere Werkzeuge, die man zweckentfremden kann, einen Akku-Schrauber zum Beispiel. Damit kann man die Fugen zwischen den Fliesen im Badezimmer reinigen. Vorne Einwegzahnbürste drauf und los geht's. Das hat mir ein Handwerker gezeigt.

In ihrem aktuellen Programm haben viele Heimwerker-Themen. Haben Sie schon den Kontakt zu einer Baumarkt-Kette gesucht, zwecks Sponsoring? 

Das ist eine interessante Ideen. Da kann man sicherlich eine Verzahnung schaffen und mit einen Akku-Schrauber beim Teleshopping, da wollte ich immer schon mal hin, das wäre ein großer Schritt in meiner Karriere. (lacht laut)

Es geht es im aktuellen Programm nur ums Schrauben und Hämmern?

Nein, die Grundlage ist immer noch die Improvisation und die Interaktion zwischen dem Mensch auf der Bühne und den Menschen im Zuschauerraum. Dabei geht es auch um das Erledigen von komischen Aufgaben. Weil die Leute aber so unterschiedlich sind, ist jede Lösung, ist jede Szene anders und deswegen ist jeder Abend anders. Das macht mir immer noch viel Spaß und das ist der Kern und die Basis meines Programms.

... und dann zimmert er ein
 Buch draus.
Wie passt dort das Buch über Heimwerker und Handwerker hinein?

Es geht um meine Sicht auf diese beiden Gruppen. Ich glaube ich habe bei der Renovierung des Hauses einfach Pech. So wie es gute und schlechte Comedians gibt, gibt es auch gute und schlechte Handwerker und bei uns war es eine Verkettung von unglücklichen Umständen. Wenn etwas schief gehen konnte, dann ist es schief gegangen.
Die besten Geschichten schreibt immer noch das Leben und es gab wirkliche ein ganze Reihe von komischen Szenen. Wir haben die ganze Bandbreite an Möglichkeiten erlebt. 

Geben Sie doch mal ein Beispiel.

Das waren alles Geschichten, die keiner glaubt, aber das sind alles Tatsachen. Zum Beispiel, die Mauer, die im falschen Stockwerk hochgezogen wurde. Als ich dann mit dem Maurer sprach, ist die auch glatt noch umgefallen. einfach unglaublich, aber wahr. (lacht laut).
Deswegen haben wir das Heft dann selbst in die Hand genommen und das hatte einen Lerneffekt: Es geht ja doch. Deswegen gleich noch ein Zitat: Am Ende wird alles gut und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht zu Ende. 

Und wie ist nun ihre Sicht auf Handwerker?

Heimwerker und Handwerker, das ist eine Welt für sich und ich bin der festen Überzeugung, dass Handwerker von einem anderen Planeten kommen. Die werden jeden Morgen per Raumschiff eingeflogen. 

Und wie ist ihre Sicht auf Heimwerker?

Für Heimwerker habe ich einen Tipp. Die sollten den Besuch im Baumarkt wie eine Safari sehen. Wie das scheue Wild in der Serengeti verstecken sich die Verkäufer den größten Teil des Tages. Aber einmal kommen sie an die Wasserstelle und dann sollte man zugreifen.


Herr Schmitz, ich danke Ihnen für das Gespräch.


Die offizielle Website

Das andere Interview

Mittwoch, 22. Oktober 2014

Immer neu erfinden und trotzdem treu bleiben

Jochen Kowalski über die Oper "George" und über neue Projekte

Das Schöne an meinem Beruf ist die Tatsache, dass man viele interessante Menschen kennenlernt, viele nette Menschen und viele bekannte oder gar berühmte Menschen. Und manchmal sind die Menschen, die ich kennenlerne, alles zusammen und dabei noch umgänglich und bescheiden. Pepe Romero gehört dazu und auch Jochen Kowalski. Deswegen war ich sehr erfreut, dass ich nach dem Konzert in Walkenried die Zusage für ein Interview bekam. Bis es dann soweit war, da ging dann doch noch ein wenig Zeit ins Land. Aber was soll's? Letztendlich hat es geklappt, wir haben uns angenehm unterhalten und ich habe eine sehr gute Oper erleben dürfen und wurde Zeuge eines einmaligen Musikprojekts.

Herr Kowalski, kurz und knapp gefragt: Wie hat Ihnen der George gefallen?

Ich habe nichts zu meckern, überhaupt nichts zu meckern und dabei meckern wir Berliner doch so gern. Also der George, der hat mir sehr gut gefallen, wirklich sehr gut. Das gilt für alle Vorstellungen. Georgee ist eine moderne Oper, die auch das Publikum anspricht. Normalerweise laufen die Leute bei modernen Stücken häufig aus der Vorstellung raus, dieses Mal nicht, das ist schon allerhand und freut mich sehr.
Ganz im Gegenteil, zum Teil war es eine Stimmung wie im Pop-Konzert. Das Publikum hat gejubelt.

King George, George, the Composer (rechts) und
einige Lakaien. Alle Fotos: TfN
Sind solche Produktionen die Zukunft des Musiktheaters?

Ich glaube schon, dass dies ein Weg ist. Bei George hatten wir fast nur junge Talente, die auch erstaunliche Leistungen gebracht haben. Also bei dem Rap, das muss ich sagen: Alle Achtung.
Zu uns kommt sonst eher die Generation 65plus, aber solche Talente und solche Produktionen, die ziehen auch ein Publikum an, die locken die Generation 15 +. Das ist das, was wir brauchen und das ist auch ein Teil unseres Kulturauftrags. Dazu müssen wir den Leuten die Schwellenangst vor dem Musiktheater nehmen und wir dürfen solche Talente nicht verstecken.

Was machte den musikalischen Reiz der Produktion aus?

Es ist eine tolle Mischung. Da ist von allem etwas drin, Händel, Offenbach, Tango und Chanson. Doch, das hat mir schon sehr zugesagt. Aber es ist auch eine Mischung, die rund ist und die auch ihre Höhepunkte bietet und bei der es einiges zu entdecken gibt.

Wie beurteilen Sie das Libretto?

Ach, King  George, der war mir wie auf den Leib geschrieben, darin habe ich mich sauwohl gefühlt. Die Rolle war nicht so ernst, die hatte eine gewisse Leichtigkeit und im schlechten Englisch wollte ich immer schon mal singen. Also, die Zeilen „I am the king, and you are the rest. My English wird wird schon besser. Today we listen to his new opera“, einfach köstlich. So etwas wollte ich schon immer mal singen und nicht das die Leute noch glauben, ich könnte kein Englisch.
Ich habe mich auf diese Rolle sehr gut vorbereitet, viele Geo-Hefte gelesen und moderne Medien genutzt, viele Halbwahrheiten und Spinnereien kennengelernt. Ich habe zum Beispiel studiert, wie King George sich hat malen lassen. Er war schon etwas spleenig, aber er hat auch meine Bewunderung. Er kam aus der Provinz in die Welthauptstadt, er sprach halb deutsch,halb englisch, wurde vom englischen Adel geschnitten und konnte sich in der fremden Welt doch durchsetzten. Deswegen hat er meine Hochachtung und ist für mich der niedersächsische Held überhaupt.

Wie sind Sie zur der Rolle gekommen?

Wie die Jungfrau zum Kinde. Ich bekam einen Anruf von meiner Agentin, die mir das Projekt in wenigen Worten stellte. Dann haben wir uns mit der Komponistin, der Produzentin und dem Regisseur in Berlin getroffen. Die haben zu dritt auf mich eingeredet und nach kurzer Bedenkzeit habe ich gesagt: „Ja können wir machen“. Sie müssen bedenken, ich habe noch nie in Niedersachsen gearbeitet, da fährt man als Berliner höchstens Mal durch.

Wie war die Zusammenarbeit mit dem Team?

Axel Ranisch ist ein toller Regisseur. Ich kannte ihn bisher nur vom Film, ich kannte nur seine Krimis. Er arbeitet ganz anders als die meisten Regisseure mit denen ich zu tun habe. Er hat mir viel Raum für Improvisationen gelassen und das liebe ich ja. Das beflügelt die Fantasie und motiviert auch die Kollegen. Also kurz und knapp: Ich habe die besten Erfahrungen mit ihm gemacht und ich hoffe, wir beide haben bald mal wieder ein gemeinsames Programm.

Wir waren ihre ersten Erfahrungen in Niedersachsen?

Zum Schluss haben sich Composer und King
wieder vertragen und tanzen Tango.
Ich muss schon sagen, die Niedersachsen sprechen das schönste Deutsch und das mag ich sehr. Ich habe in Hannover in einem Café gesessen, ein paar Damen belauscht und das gleich ins Libretto eingebaut. Das ist die Stelle mit „I have gespiiitzzzt my ears“,das passte wunderbar. Die Zuhörer haben das schon verstanden und ich mag an den Niedersachsen die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen.

Sind Sie traurig darüber, dass das Projekt „George“ so schnell zu Ende ist?

Es war rundweg ein Erfolg, aber ich halte nichts davon, solche Sachen künstlich zu verlängern.Man sollte nicht immer den alten Kram machen. Ich habe noch viele andere Sachen vor, aber das meiste ist noch semi-konkret. Ich werde wohl ein neues Programm mit dem Vogler-Quartett machen, einen Liederzyklus von Max Kowalski. Nein, der ist nicht mit mir verwandt. Max Kowalski war ein Zeitgenosse von Arnold Schönberg, er hataber die musikalischen Fragen der Zeit ganz anders beantwortet. Dann habe ich noch etwas mit der Staatskapelle vor und mit demSalon-Orchester. Aber mehr verrate ich nicht, denn das Publikum soll sich darauf freuen.

Können wir uns noch auf viele neue Dinge freuen?

Ich sage immer, man soll was machen, was zum Alter passt. Man soll sich immer neu erfinden, aber man muss sich immer treu bleiben. Ich hätte nie gedacht, was ich mal so etwas wie Georgee machen und nun hat es jede Menge Freude bereitet und den Zuhörern auch.

Herr Kowalski, ich danke Ihnen für das Gespräch.



Der Harzer Kritiker zur Oper "George"





Schaffen Sie sich eine Familie an

Hans-Joachim Heist über seine Rolle als Gernot Hassknecht


Doch, nun ist der Beweis erbracht: Für alle Komiker bin ich wohl doch der passende Gesprächspartner. Im Vorfeld seines Auftritts hatte ich ein Gespräch mit "Gernot Hassknecht" und es lief sehr friedlich ab. Aber urteilen Sie selbst.


Herr Heist, sind sie Komiker, Kabarettist oder Comedian?


Ich bin Schauspieler und das nicht nur nach meiner Ausbildung. Für mich hängt das alles zusammen und Schauspielerei ist die Grundlage. Ich finde es blödsinnig, wie wir in Deutschland alles genau aufteilen müssen. Ebenso blödsinnig finde ich den Unterschied zwischen U-Musik und E-Musik, zwischen Unterhaltungsmusik und ernster Musik. Die Hauptsache ist doch, dass man gut unterhalten wird.
Für mich gibt es nur einen Unterschied und der ist natürlicher Art. In der Jugend spielt man den Helden und im Alter wird man zum Charakterdarsteller.



Hans-Joachim Heist bezeichnet sich
als Schauspieler. Alle Fotos: red
Wie stark werden sie auf die Rolle Gernot Hassknecht reduziert? Werden sie von ihren Mitmenschen schon als Herr Hassknecht angesprochen?


Doch, das passiert sehr oft und die Reduzierung ist schon deutlich. Aber in meinem Alter macht mir das nichts mehr aus. Jüngere Kollegen haben mehr Probleme damit, wenn eine Rolle die eigene Person in den Hintergrund drängt.
Aber ich mache ja nicht nur die “heute show”, sondern habe seit vielen Jahren eine Reihe von anderen Programmen im Repertoire, zum Beispiel einen Heinz Erhardt-Abend unter dem Titel “Noch ein Gedicht”.


Wie kommen Sie zu Heinz Erhardt? Das ist doch ein Kontrastprogramm zu Hassknecht.


Ich bin mit ihm groß geworden, seine Werke standen im Bücherregal meiner Eltern und die Filme haben wir damals auch gesehen. Heinz Erhardt war jemand mit einem eigenen Witz, jemand, der mit der deutschen Sprache umgehen und er zielte nie unter die Gürtellinie.


Wer hat sich eigentlich den Namen Gernot Hassknecht einfallen lassen?


Den hat sich Oliver Welke einfallen lassen.


Und wie sind Sie mit Oliver Welke zusammengekommen?


Über ein Casting.


Worüber kann sich Gernot Hassknecht sich nicht aufregen?


Wenn alles gut läuft, dann hat auch Gernot Hassknecht keinen Grund sich aufzuregen. Aber das ist rein theoretisch. In unserem Land läuft so viel falsch, da finden sich zahlreiche Anlässe für den Wutbürger. In der Politik, in der Wirtschaft und gesamtgesellschaftlich gibt es viele Gründe, um sich zu empören.
Zum Beispiel das Thema Mobilität. Fahren sie mal ein Monat lang mit der Deutschen Bahn. Was man dort erlebt, das reicht. Oder nehmen wir das Auto. Im Auto kann man sich über alles aufregen, das ist völlig unvermeidlich.
Aber ich habe noch einen Tipp. Wer sich mal wirklich richtig aufregen will, wer seinen Blutdruck nach oben treiben will, der sollte sich eine Familie anschaffen. Wo kann man sich besser aufregen als im Schosse der Familie?.


Es gibt nichts, über das er sich nicht aufregen
kann. Alle Fotos: red
Wie viel programmierte Wut steckt in ihrer Show? Welchen Anteil spielt Spontanität?


Es muss einen roten Faden geben. Das Programm heißt ja “Das Hassknecht Prinzip - In zwölf Schritten zum Choleriker", aber ich kann nicht zwei Stunden durchbrüllen. Das halte ich nicht aus und das Publikum erst recht nicht. Deswegen wird es auch ruhige Passagen geben und Video-Einspielungen, meist aus der “heute-show”.
Es wird auch spontane Einlagen geben, das ist aber vom Abend selbst abhängig. Dann spielt es eine Rolle, wie das Publikum reagiert und was im Publikum passiert. Das wird sehr oft sehr witzig.


Mit dem Hassknecht-Programm sind Sie sind seit mehr als einem Jahr auf Tour. Schauen Sie sich auch mal die Gastspielorte an?


Wenn es möglich ist, dann bummel ich sehr gern mal durch die Innenstadt oder setze mich in ein Café.


Herr Heist, sehen Sie noch jemand aus der Crew von “Diese Drombusch”?


Leider sind einige schon gestorben. Es gibt jährlich ein Fan-Treffen in Darmstadt, zu dem ich auch eingeladen werde. Das letzte Mal war ich vor zwei oder drei Jahren dabei und es war ganz schön, dort einige Leute von früher zu treffen.


Abschließend noch eine Frage zur Biografie. Ihre Berufslaufbahn hat ja im Handwerk begonnen. Wie sind Sie zur Schauspielerei gekommen?


Ja, es stimmt, ich habe Installateur gelernt, im Bereich Gas, Wasser, Sanitär. Ich brauchte eine Handwerksausbildung, um Bauingenieur zu werden. Doch nach zwei Semestern habe ich eingesehen, dass die Welt der Zahlen und Formeln nicht meine Welt ist. Ich entschloss mich, die Schauspielerei zum Beruf zu machen. Die Bühne hat mich schon immer begleitet, schon seit den Zeiten des Schülertheaters. Also habe ich umgeschaltet von “nebenbei” auf “professionell”.


Herr Heist, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Hans-Joachim Heist bei wikipedia
und auf der eigenen Website
Die "heute show"


Montag, 22. September 2014

Die Sache mit dem Glück

Ein Interview mit Stefan Gwildis

Zu den besten Gigs meiner 35-jährigen Karriere als Konzertbesucher gehörte der Auftritt von mit Stefan Gwildis mit der NDR Bigband im Februar 2014 in Göttingen. Anschließend dudelte ich "Die Sache mit dem Glücklichsein" wochenlang rauf und runter, noch häufiger als "Neues Spiel" zehn Jahre zuvor.
Also war ich hochgradig erfreut, als ich erfuhr, dass der Soulman im Rahmen der Niedersächsischen Musiktage nach Herzberg kommen wird. Noch hochgradig erfreuter war ich, als mein Interviewwunsch erfüllt wurde.
Das Thema? Natürlich das Glück.

Herr Gwildis, welch glücklicher Umstand hat sie und die NDR Bigband zusammengeführt?

Erst einmal muss ich festhalten, dass der ehemalige Bandleader Dieter Glawischnig und ich schon vor einigen Jahren überlegt hatten, etwas zusammen zu machen. Aber als Jörg Achim Keller dann die Bigband übernahm, wurden die Überlegungen konkreter. Es ist schon ein Riesenglück, mit solch großartigen Musikern zusammenarbeiten zu dürfen.

Stefan Gwildis behauptet, viel Glück im Leben gehabt
zu haben. Foto: Stefan Malzkorn
Bisher standen sie doch für deutschsprachigen Soul. Wie groß war der Schritt zum Jazz?

Der Schritt war nicht so riesig. Soul und Jazz liegen nicht so weit auseinander. Beide sind vom Thema Freiheit geprägt und beides sind schwarze Musikrichtung, sind die Musik der Afroamerikaner. So wie der Soul ist auch der Jazz ein Statement, eine Haltung zum Leben.
Außerdem bin ich mit dieser Musik großgeworden. Die Jazz-Platten meines Vaters sind ein wichtiger Teil meiner musikalischen Sozialisation. Die bekam er übrigens als Gratifikation von seinem Arbeitgeber Goodyear und so wuchs ich mit den ganz Großen des Jazz auf.

Wer war für die Playlist zuständig?

Wir haben uns einfach hingesetzt, zusammen in der Geschichte des Jazz gewildert und aufgeschrieben, was wir gern spielen würden.

Haben Sie im Frühjahr 2013 gedacht, dass sie mit diesem Programm es so lange auf Tour sein werden?

Nee, ehrlich nicht. Hier hatten wir das Glück, mit Karsten Jahnke auf einen alten Believer zu treffen. Karsten ist eine Konzertveranstalter, der nicht fragt, was eine Tournee einbringen kann. Sondern er überlegt „Was sollen die Leute sehen?“ und entscheidet dann aus dem Bauch heraus. Die Idee zur Tour hatte übrigens Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz. Bei einem Empfang Anfang 2013 machte er einen Scherz und vier Wochen später waren wir unterwegs.
Dabei hätte jeder andere Konzertveranstalter angesichts der Größe eine Krise bekommen. Schließlich muss er mehr als 20 Musiker und den ganzen Anhang Abend für Abend unterbringen.

Haben Sie jemals gedacht, dass sie mit diesem Album mal eine Goldene Schallplatte bekommen würden und die Charts bei amazon anführen würden?

Nein, nicht im Traum. Jazz galt in Deutschland lange Zeit als unverkäuflich. Wir haben schon vor 20 Jahren im kleinen Kreis zusammengesessen, auch mit Karsten Jahnke, und haben überlegt, was Jazziges zu machen. Leider war war die Zeit damals dafür noch nicht reif, nun ist sie es wohl. Es gibt eine lange deutsche Jazztradition, die teilweise verloren gegangen ist. Aber vielleicht kommen wir wieder dahin.

Die NDR Bigband ist ein Zusammenschluss exzellenter
Musiker. Foto: Steven Haberland
Woher nehmen Sie ihre Qualitäten als Entertainer?

Mit meinem Partner Rolf war ich lange Jahre als Straßenmusiker unterwegs. Wir haben direkt für die Menschen gespielt und schnell gelernt, wie wichtig es ist, das Publikum anzuschauen, zu kommunizieren und einen Dialog aufzubauen. Das ist fruchtbar für beide Seiten.

Eines meiner Lieblingsstücke ist "Der Einsame" von Heinz Erhardt, ein dunkler, zynischer Blues. Durch welchen glücklichen Umstand  sind Sie zu diesem Song gekommen?

Die Enkeltochter von Heinz Erhardt kam auf uns zu und fragte, ob wir nicht Lust hätten, einige Kompositionen zu den Texten ihres Großvaters zu schreiben. Den Einsamen habe ich herausgesucht, weil er so dunkel ist. Das widerspricht dem üblichen Bild von Heinz Erhardt, deswegen fand ich den Text so interessant. Unser nächste Heinz-Erhardt-Projekt wird sich übrigens mit seinen Briefen beschäftigen.

Welche Rolle spielt das Thema Glück für Sie?

Ich muss schon sagen, dass ich im ganzen Leben Glück hatte. Irgendwie finde ich immer den Speck und die guten Freunde, an denen man festhalten kann.
Ein kleines Beispiel. Wie bin ich zum Thalia-Theater gekommen? Ich bin mit Freunden in den Abendstunden vorbeigekommen, wir haben ein wenig gescherzt und zum Schluss fragte ich den Pförtner, wie man zum Theater kommt.
Der sagte, ich solle am nächsten Tag wiederkommen, dann wäre ein Casting für die 3 Musketiere. Mit meinem Bart und den langen Haaren erfüllte ich die Vorstellungen von Boy Gobert. Am Thalia-Theater habe ich viel gelernt und es hat mich lange Zeit gut ernährt.

Sind Sie auf den Auftritt in Herzberg vorbereitet?

Nein, nicht wirklich. Unglücklicherweise war ich bisher nur einmal in meinem Leben im Harz, zum Rodeln in Hahnenklee.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die offizielle Homepage
Die NDR Bigband

Facebook-Seite zum Konzert in Herzberg
Kritik zum Konzert in Göttingen

Dienstag, 19. August 2014

Es ist einfach unglaublich

Pepe Romero ist immer noch der glücklichste Mann der Welt

Ich weiß gar nicht, wie viele Künstlerinnen und Künstler ich in meine Leben getroffen und besprochen habe. Es werde wohl viele Hunderte sein. Aber Pepe Romero habe ich besonders ins Herz geschlossen. Deswegen war ich froh, dass er auch in diesem Jahr Zeit fand, auf meine Fragen zu antworten. Der Weltstar zeigte sich wieder als höflich, bescheiden und enthusiastisch.

Herr Romero, letztes Jahr haben Sie mir erzählt, dass sie sehr glücklich seien, vielleicht sogar der glücklichste Mann auf diesem Planeten. Bleiben Sie dabei?

Ein Stück Familiengeschichte: Gitarre
No. 19
von Romero-Junior. Fotos: tok 
Doch, ich bleibe dabei. Ich habe eine reizende Familie und ein unglaubliche Frau und ich bin von vielen wirklich guten Freunden umgeben und mein Leben verläuft so, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich darf jede Tag Musik machen, reise durch die Welt und komme an großartige Plätze wie zum Beispiel diesem hier.

Momentan sind Sie auf Welttournee. Wohin geht es als nächstes?

Nein, die Tournee ist zu Ende, diese war das letzte Konzert. Ich bin im März in New York gestartet und nun ist Schluss.
Jetzt habe ich drei Wochen frei, dann kommt mein Auftritt beim Rheingau Festival und drei Wochen später geht es wieder auf Tour. Dann aber mit den "Los Romeros".

Sind Sie mit der Tournee zufrieden?

Sehr zufrieden sogar. Nun es kurz zu machen: Es hat alles fantastisch geklappt seit dem Start in New York.

Das Solo-Programm heute Abend hieß "Viva Espana". Haben Sie in den letzten fünf Monaten überall dasselbe gespielt.

Nein, ich habe mehrere Programme gespielt, auch in in unterschiedlichen Zusammensetzungen, je nach Auftrittsort. In New York zum Beispiel hatte ich mehrere Bach-Abende mit großen Orchester, einige Auftritte habe ich mit dem Romero-Quartett absolviert. Das Solo-Programm von heute Abend war eher die Ausnahme. Außerdem musste ich meine Frau erst noch in der Pause zu ihrem Auftritt überreden. Aber es hat sich doch gelohnt, oder?

Letztes Jahr sagten Sie, dass Sie auf einen Schatz aus 500 Jahren spanischer Musik bauen können. Heute Abend haben Sie durchweg Gegenwartsliteratur gespielt. Was hat Sie zu dieser Auswahl bewogen?

Das liegt an meinem 70. Geburtstag im März. Ich wollte einfach nur Musik spielen, die während meines Lebens entstanden ist. Somit gibt das Programm einen wichtigen Teil meines Lebens wieder und ist zugleich Teil meiner Geburtstagsparty. Aber die ist nun vorbei.

Romero konnte seine Frau zu einem Gastauftritt
überreden. Foto: tok
Welche Gitarre haben sie heute Abend gespielt?

Die Nummer 19 von meinem Sohn Pepe jr.. Er hat sie Spoiky getauft. Es ist ein faszinierendes Instrument mit einem einmaligen Klangbild. Dunkel und mystisch, aber auch klar und strukturiert. Ich konnte ihre Entstehung direkt miterleben und es ist ein unglaubliches Glück, wenn Zeuge eines solch beeindruckenden Prozesses sein darf.

Auf ihre Website habe ich gelesen, dass sie gerade ihre Muskeln dehnen. Welche Projekt wollen sie demnächst verwirklichen?

Steht das wirklich da? Also gut, ich werde im kommenden Jahr einige Aufnahmen machen, vor allem mit Werken von Francisco Tarrega. Dann werde ich, wie gesagt, auch mit dem Romero-Quartett unterwegs sein und nicht zuletzt will ich im kommenden Jahr noch einige meiner Arrangements und
Kompositionen veröffentlichen. Das ist in den letzten 55 Jahren, die ich nun auf der Bühne stehe doch allerhand zusammen gekommen. Was ich anschließend machen werde, das weiß ich noch nicht. Aber es wird mir sicherlich etwas einfallen und solange mir die Musik Spaß macht, werde ich auch Musik machen.

Diese Frage muss zum Schluss kommen. Wann sehen wir Sie das nächste Mal wieder?

Wie gesagt, in 3 Wochen spiele ich beim Rheingau-Festival und in 6 Wochen bin ich mit dem Romero-Quartett unterwegs. Hier im Kloster Walkenried bin ich im September nächsten Jahres wieder, den genauen Termin kann ich jetzt nicht sagen. Dann komme ich aber nicht allein sondern mit "Los Romeros". Ich hoffe, dass ich meine Frau noch überreden kann, mitzukommen.

Herr Romero, ich danke Ihnen für das Gespräch.


Das erste Interview

Viva Espana! Pepe Romero im  Kreuzgangkonzert 2014
Die Seele Andalusiens. Pepe Romero im Kreuzgangkonzert 2013

Die Website von Pepe Romero
Pepe Romero bei Wikipedia
Das Romero-Quartett

Die Kreuzgangkonzerte

Sonntag, 15. Juni 2014

Die totale Hingabe an den Beruf

Sportjournalist Ludger Schulze über Philipp Lahm, die Nationalmannschaft und die Spielmacher im deutschen Fußball

Rechtzeitig zum WM-Geschäft erschienen die beiden Bücher, die in den letzten Jahren für die meiste Aufregung unter Deutschlands Fußballer gesorgt hatten, in einer Neuauflage. Für mich war die Klammer für beide Werke Ludger Schulze. Der langjährige Sportchef des Süddeutschen Zeitung hatte zum einem Buch das Nachwort geschrieben. Zum anderen Buch hielt er im Dezember 2012 die Laudatio bei der Preisvergabe als Sportbuch des Jahres. Deswegen nahm ich das Angebot des Verlags, ein Interview zu führen, dankend an.
Nach beiderseitigen Spielabsagen aus Krankheitsgründen klappte dann nach vier  Wochen Hin und Her doch. Hier sind seine Antworten auf meine Fragen zu Philipp Lahm, die Nationalmannschaft und deutsche Chancen und deutsche Journalisten


Wer ist wegen des Nachworts auf Sie zugekommen? Der Verlag und Philipp Lahm? 
Der Kunstmann-Verlag.

Wie bewerten Sie die „Ehre“ die Autobiografie eines der besten deutschen Fußballer abrunden zu dürfen? 
Sie haben das Wort Ehre zu Recht in Anführung gesetzt – es handelt sich nämlich eher um Freude. Ich habe die Karriere von Philipp Lahm genau verfolgt. Mir ist besonders gut in Erinnerung die Nacht nach dem verlorenen „Finale dahoam“ gegen Chelsea, als ich Philipp zum ersten Mal so gut wie sprachlos erlebt habe. Und ich habe ihm ein Jahr später in London, beim Bankett nach dem siegreichen Endspiel der Champions League gegen Borussia Dortmund, seine grenzenlose Erleichterung darüber angemerkt, dass er einen bösen Ruf abgelegt hat: gemeinsam mit Bastian Schweinsteiger als Anführer einer Generation der Verlierer zu gelten. Und darüber habe ich mich, ganz unjournalistisch subjektiv, sehr gefreut.

Sie kennen Philipp Lahm näher. Wie wird die nächste Stufe seiner Karriere aussehen?

Über diesen Fußballer äußert sich
Schulze lobend. Foto: Verlag
Ich habe ihn schon 2003 kennengelernt als jungen Verteidiger beim VfB Stuttgart. Und als den höflichsten und einen der gescheitesten Profifußballer während meiner mehr als 35-jährigen journalistischen Laufbahn. Jedes einzelne der vielen Interviews mit Philipp ist stets ein über das berufliche Interesse hinausgehendes Vergnügen gewesen. Philipp wird noch sehr lange Fußball spielen; seine Fitness, seine Professionalität, sein sorgsamer Umgang mit den körperlichen Ressourcen und seine Spielweise eröffnen ihm die Möglichkeit, auch mit Ende 30 noch Spitzensportler zu sein. Im Anschluss daran wird er eine zweite Karriere im Fußball machen, vermutlich als Trainer, vielleicht als Manager oder was auch immer. Auf jeden Fall wird er auch da außergewöhnlich erfolgreich sein.

Was können auch Nicht-Fußballer von Philipp Lahm lernen?
Die totale Hingabe an den Beruf. Bescheidenheit. Das Wissen darum, woher man kommt. Und die Fähigkeit, durch Freundlichkeit und gutes Benehmen andere für sich zu gewinnen.

Wird er die deutsche Nationalmannschaft in Brasilien zum Titel führen?
Ich fürchte nein. Wäre die WM in Europa, stünden die Chancen ziemlich gut. Aber die klimatischen Bedingungen in Brasilien – Wärme und Luftfeuchtigkeit – , die Anstoßzeiten in der prallen Mittagshitze, der aus den weiten Reisen resultierende Stress machen den Heimvorteil der Südamerikaner noch größer. Zudem ist der schnelle, laufintensive Spielstil der Deutschen nicht eben förderlich. Und zu alledem kommt noch der Ausfall von Marco Reus hinzu, der das Zeug zu einem Superstar des Turniers gehabt hätte.

Wenn nicht Deutschland den Titel holt, wer dann?
Brasilien. Argentinien. Oder in einem letzten Kraftakt Spanien.

Über dieses Buch äußert sich
Schulze lobend. Foto: Verlag
Hier „Der feine Unterschied“, dort „FIFA Mafia“. Welche Seite zeigt das wahre Gesicht des Fußballs? 
Der Fußball hat viele Gesichter. Beide Bücher beschäftigen sich mit sehr unterschiedlichen Aspekten. Aber die aktuellen Geschehnisse um diese komplett versaute FIFA zeigen, wie richtig und wie notwendig Thomas Kistners investigatives Buch „FIFA Mafia“ war.

Wie bewerten Sie die „Ehre“ die Laudatio für ihren Kollegen Thomas Kistner halten zu dürfen?
Ich hatte das Vergnügen, als Ressortverantwortlicher der Süddeutschen Zeitung mit Thomas Kistner 17 Jahre lang zusammenarbeiten zu dürfen. Er ist einer der wichtigsten, weil mutigsten Journalisten in Deutschland. In alle diesen Jahren hat er sich nie gescheut, Mißstände aufzudecken. Und er hat sie überall gefunden, in der Sportpolitik, beim Doping, in FIFA wie DFB und auch beim IOC. Das hat ihm viel Ärger eingebracht von jenen, die sich ertappt fühlten. Und selbst in der eigenen Branche, unter Journalisten, haben viele Kistners Darstellungen für übertrieben gehalten. Weil sie zu faul, zu desinteressiert oder zu verstrickt waren, um den Dingen selbst auf den Grund zu gehen. Es ist mir eine Genugtuung, dass Thomas Kistner in jedem Punkt, in wirklich jedem Punkt Recht bekommen hat. Und deshalb war mir die Laudatio nicht nur ein Vergnügen, sondern in der Tat eine Ehre.

Vor zehn Jahren haben Sie mit "Die Spielmacher" selbst einen Blick hinter die Kulissen des Fußballs veröffentlicht. Wer sind heute die Spielmacher? Wer zieht heute die Strippen im deutschen Fußball? Wenn damit gemeint ist, wer am meisten Macht besitzt im deutschen Fußball, dann: Die Vereinsbosse von Bayern München und Borussia Dortmund, DFB-Präsident Niersbach und die Chefs von „Bild“ und „SportBild“.

Das Lahm-Buch

Das Kistner-Buch
Das erste Interview mit Thomas Kistner


Dienstag, 8. April 2014

Puri: Das ist eine humorvolle Rückschau und eine persönliche Katharsis

Deutsche Frauen heiraten häufig nach oben

Aufmerksam auf Nina Puri wurde ich 2011 nach der Veröffentlichung von "Tischlein, leck mich", eine amüsante Betrachtung über die Adiletten-Jogginghosen-Klingelton-Gesellschaft in ihren vielfältigen Ausprägungen. Wir hatten damals ein ausgesprochen angenehmes Gespräch zu diesem Thema. Bei Gelegenheit werde ich noch mal in die Tiefen meines Archivs abtauchen, um dieses Interview zu bergen und wieder journalistisch flott zu machen.
Lange Vorrede, kurzer Sinn. Anfang 2014 konnte ich erfreut feststellen, dass die Wahl-Hamburgerin ein neues Buch vorgelegt hat und das zu einem Thema, das sonst nur mit missionarischen Eifer bearbeitet wird: Erziehung und Erwerbstätigkeit. Nicht zuletzt als bekenneder Vater bemühte ich mich umgehend um Kontakt zur Autorin. Nach Ferien, flugreise und Zeitverschiebung fand das Interview Mitte März 2014 statt. Auch dieses Mal war das Gespräch entspannt aber sachorientiert. Nichtsdestotrotz steckt hinter manch netter Formulierung auch eine unangenehme Realität. Das kann nicht jede.


Frau Puri, dürfen auch Männer ihr Buch lesen?


Ja, das sollen sie sogar. Es richtet sich nämlich erst einmal an alle Berufstätigen mit Kinder und beleuchtet viele Seiten.  Es gibt auch arme Männer.


Aber trotzdem gibt es im Buch viele direkte Anrede an Frauen und Mütter.


Das liegt daran, dass Frauen aus meiner Sicht viel zu viel jammern. Viele Frauen gefallen sich in der Opferrolle. Aber Verzagen führt zu nichts und deswegen wollte ich das Problem mal mit einem Augenzwinkern betrachten.


Nina Puri ist trotz der Grabenlämpfe
ganz entspannt. Fotos: Verlag
Laufen Sie mit solchen Thesen nicht Gefahr als Verräterin der Frauensache gesteinigt zu werden?


Das kann schon sein. Mütter haben gerade in Deutschland die ungesunde Angewohnheit, sich gegenseitig klein zu halten. Änderungen an dem Mutterzustand sind nichterlaubt. Für mich ist das Verschwesterung auf niedrigstem Niveau. Das wird spätestens dann deutlich, wenn eine Frau in solcher einer Mütterrunde sagt, dass sie künftig eine Stunde mehr oder auch weniger arbeiten will. Welche Emotionen dann hochkommen, dass ist schon erstaunlich.


Wie können Sie angesichts solcher Grabenkämpfe so entspannt an das Thema herangehen?


Es ist eine rückblickende Heiterkeit. Natürlich habe ich in dem Buch meine Erfahrungen als berufstätige Mutter verarbeitet. Als solche wurde ich immer mit verkrampften Fragen konfrontiert und ständig versuchte man, mir ein schlechtes Gewissen einzureden. Diese Situation war mir völlig unbekannt.


Warum?


Meine Mutter war auch berufstätig, anfangs halbtags, später ganztags. Das war in Großbritannien kein Problem, weil es damals dort schon Ganztagschulen mit Mittagessen und allen drumherum gab. Das Frauen wegen der Kinder zu Hause bleiben, das habe ich erst in Deutschland kennengelernt.
Außerdem gibt es im Deutschen Ausdrücke, die finden sich in keiner anderen Sprache. Dazu gehören weggeben, Rabenmutter oder auch Fremdbetreuung. In diese Kategorie gehört auch die Frage “Warum hat sie sich dann ein Kind angeschafft?”. So kommt zur moralischen auch die verbale Keule.


Wieso ist bei vielen Frauen die Karriere im Eimerchen, wenn das erste Kind kommt?


In Deutschland heiraten Frauen in aller Regel immer noch nach oben. Da ist die eigene Karriere nur eine Option, die frau schnell aufgeben kann. Die Väter gehen in Teilzeit, Frauen entdecken für sich das Projekt Mutter sein und katapultieren sich um mehrere Zeitalter zurück. Auf der anderen Seite muss dieses Projekt gelingen. Da muss alles stimmen und so kommt Druck von außen, da bauen Mütter einen enormen für sich und ihre Kinder auf.


Wenn die Väter in Teilzeit sind, dann könnten sich die Eltern die Aufgaben teilen. Das ist doch eigentlich ganz einfach.


Theoretisch schon, aber in der Praxis bleibt der Haushalt doch an der Ehefrau kleben. Väter sind für die spektakulären Einzelaktionen zuständig, Mütter für den alltäglichen Kleinkram und für die Elternabende. Wenn Väter in Elternzeit gehen, dann nutzen sie die Phase für einen ausgiebigen Urlaub, Frauen kümmern sich um die Familie Soziologen bezeichnen diese Lücke  zwischen Wunsch und männlicher Realität als Verhaltensstarre bei verbaler Aufgeschlossenheit.


Könnte fast der Anlass für
ein Shit-Stürmchen sein.
Was muss geschehen, damit nicht mehr so viele Karrieren im Eimerchen sind, wenn die Kinder kommen?


Das ist schwer, denn es gibt nicht eine Gruppe, die an der Situation schuld ist. Aber eine Möglichkeit wären mehr Jobs mit flexiblen Arbeitszeiten. Was wir sicherlich nicht brauchen, sind Mini-Jobs oder Midi-Jobs, das ist nur eine Sackgasse. Waswir auch nicht brauchen, sind so komische Einrichtungen wie das Betreuungsgeld, dass nur dafür sorgen soll, dass Mütter zuhause bleiben.Was wir brauchen, sind Kindertagesstätten, in die die Kinder gern gehen und in die Eltern ihr Kinder gerne geben.


Wird ihr Buch dazu beitragen, die Lage an der Elternfront zu entspannen?


Dazu kann ich keine Prognose abgeben. Es ist nur eine humorvolle Beschreibung der Situation und keine Arbeit mit der Keule. Es ist zum Teil eine persönliche Katharsis, denn ich bin schon ein wenig müde vom Sturm.

Ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview fand im März 2014 statt.

Die Autorin
Das Buch