Donnerstag, 29. August 2013

König: Hier zeigt sich, wer's kann

Irgendwie bin ich wohl auf den Weg zum Fragensteller für Komiker, Comedian und Satiriker. Nach Profitlich, Schmitt, Schmitz und zweimal Wischmeyer (erstes, zweites) war Johann König der fünfte aus dieser Berufssparte, mit dem ich ein paar Worte wechseln sollte.
Ehrlich gesagt stand Johann König in meiner Hitliste bisher nicht oben, aber natürlich bin ich mit der ausreichenden Professionalität ran gegangen. Aber das Gespräch verlief weitaus besser als gedacht und Johann König machte jede Menge Sympathiepunkte bei mir. Nur zwei Stunden später hatte ein Gespräch mit einem Comedian, der bis dahin weit oben auf meiner Liste. Ich weiß nicht, ob ihr es wisst, aber der verlor reichlich Punkte und liegt nun auf meiner Liste weit hinter König. So kann's gehen.

Herr König, Sie machen beides, Bühne und Fernsehen. Aber was machen Sie lieber?

Ich stehe lieber auf der Theaterbühne, Fernsehen ist viel stressiger als ein Liveprogramm.

Das überrascht mich aber.

Doch, doch, das ist schon so. Im Fernsehen muss man den Text genau auswendig lernen und man hat nur 4 Minuten für einen Sketch. Da kann man nichts entwickelnund Improvisieren ist verboten. Zudem sind die Themen auch sehr eng vorgegeben, wie damals bei meinen Auftritt auf dem Satire Gipfel. Das ist nicht meine Art zu arbeiten. Außerdem ist es beim Fernsehen immer so hell, dass man das ganze Publikum sieht.

Was haben Sie gegen Erleuchtung?

Johann König ist kein Comedian
sondern Komiker. Foto: B. Breuer 
Also, ich spiele lieber in eine schwarze Geräuschkulisse. Wenn ich die Leute nicht so genau sehen kann, dann fühle ich mich viel freier, dann komme ich mir nicht so beobachtet vor.

Sind Sie ein Autist, der zufällig den Weg auf die Bühne gefunden hat?

Also, das mit dem Autisten, dass lassen wir mal schnell fallen. Ich hatte neulich einen Sketch  darüber im Programm. Den fand ich gar nicht so böse, trotzdem hat der mir viel Ärger mit einem Patientenverband eingehandelt.
Aber Schüchternheit, das war für mich schon in der Schule ein Problem. Vor der Klasse stehen und ein Referat halten, das war mir sehr unangenehm. Vom Platz aus ein Referat halten, das war aber in Ordnung.

Wie sind Sie trotzdem Comedian geworden?

Ich bezeichne ich selbst als Komiker. Zudem  möchte ich festhalten, dass ich schon 26 Jahre alt war, als ich das erste Mal auf einer Bühne stand und das auch mehr aus Zufall. Da wollte ich eigentlich nie hin. Es gibt viele Kollegen, denen hat das schon immer im Blut gelegen, ab ich war nie der Pausenclown und ich habe auch nie in einer Band gespielt. Das mit dem Theaterspielen, das hat sich eher so ergeben und dann bin ich dabei geblieben.

Wieviel steckt von ihrer Person in der Bühnenfigur Johann König?

Natürlich brachte meine verstockte Art zu sprechen die Leute zum Lachen. Das schaffen sie nicht, wenn sie sich komplett verstellen müssen. Aber im Laufe der Jahre habe ich mich auch verändert und ich bin schon in der Lage, einfach einen Schalter umzulegen.
Ich habe meine Figur weiterentwickelt. Im aktuellen Programm überrasche ich mit Schnelligkeit und mit Aggressivität. Die Langsamkeit wollte ich nie konservieren.

Ist Johann König nicht mehr Johann König?


Wie gesagt, ich wollte die Langsamkeit nie konservieren und auch die Stimmlage hat sich geändert. Ich spreche schon lange nicht mehr in dieser schrägen Art. Ich denke, dass ich es geschafft habe, aus der Schublade “langsam aber lustig” herauszukommen.

Ist das Leben auf der Tour nicht anstrengender als im Fernsehstudio?

Na gut, die Tour geht noch bis Ende 2015 und bis dahin muss ich jeden Text immer noch frisch rüberbringen. Aber während der Tournee füge immer mal wieder ein neues Gedicht oder ein neues Lied ein. Außerdem bin ich nach vier Tagen immer wieder zu Hause. so habe ich den Stress längst vergessen, wenn es Sonntagabend wieder losgeht.

Was können Sie auf der Bühne nicht leiden?

Da sind zuerst die Zuspätkommer. Das stört einfach enorm und die können sich auf was gefasst machen. Auch die Respektlosen kann ich nicht leiden, die aus der ersten Reihe ihre Füße auf dem Bühnenrand ablegen und noch ein großes Bier in der Hand halten. Und natürlich die Zwischenrufer. Da ist die Schadenfreude beim Publikum groß, wenn diese Störer von vorne was auf den Deckel bekommen.

Trotztdem schlägt ihr Herz für die Live-Show?

Doch, hier zeigt sich eben, wer improvisieren kann und wer nicht.


Die offizielle Website mit den Tourterminen

Montag, 26. August 2013

Romero: Ich bin ein glücklicher Mensch

Pepe Romero zu besonderen Orten und Menschen

Er gilt als der weltbeste Gitarrist im klassischen Fach. Im August war Pepe zu Gast bei den Kreuzgang-Konzerten im Kloster Walkenried. Nach einen faszinierenden Abend hatte ich das Glück, einem faszinierenden Menschen noch fünf Fragen stellen zu dürfen.

Der Gitarrist Pepe Romero ist
glücklic
h. Foto: DG/Hoffmann
Herr Romero, Sie sind zum zweiten mal im Kloster Walkenried. Gefällt ihnen dieser Ort?

Dieser Veranstaltungsort gefällt mir nicht, ich liebe ihn, er ist fantastisch. Diese Erlebnis, wenn man hier anreist, dass ist so wunderbar und die ganze Umgebung wunderbar. Das Kloster selbst ist magisch ist und hier spielen zu dürfen, das ist ein wahres Privileg.

Nächstes Jahr gehen Sie auf Welttournee. Werden wir sie dann wiedersehen?

Ja, bestimmt. Ich weiß zwar noch nicht, wo genau, aber wir werden uns wiedersehen, sofern Gott es erlaubt.

Momentan spielen Sie drei verschiedene Gitarre. Welche haben Sie uns heute Abend vorgeführt.

Im Grunde spiele ich nur zwei, eine von Blochinger in München und eine Gitarre, die mein Sohn gebaut hat. Im Großen und Ganzen spiele ich beide Gitarre gleichermaßen, aber heute Abend habe ich mich für die Blochinger entschieden.

Sie spielen eine Gitarre ihres Sohns, sie führen Werke ihres Vaters auf. Herr Romero, sind Sie ein Familienmensch?

Ja, ganz bestimmt. Die Familie ist eine wunderbare Sache. Ich bin gesegnet mit vier Kindern und sechs Enkelkinder. Ich habe zwei großartige Brüder und vor allem habe ich ein großartige Frau. Ich kann schon sagen, dass ich ein glücklicher Mensch bin.

Sie können auf 500 Jahre spanische Musik bauen, aber wer ist ihr Lieblingskomponist?

Ich habe viele Lieblingskomponisten. Ich bin in der Luxussituation, das ich nur das spiele, was ich auch mag. So kann ich mich komplett der Musik überlassen und dadurch wird dasStück,dass ich gerade spiele, eben auch mein Lieblingswserk. Also hatte ich heute Abend viele Liebingswerke.
Demnächst werde ich in New York viel Bach und dann ist Bach mein Lieblingskomponist, übrigens ich liebe Bach auch so. Neulich in Japan habe ich viele Werke von Tárrega gespielt, den habe ich aber auch heute Abend gespielt. Sie sehen, ich habe viele Lieblingskomponisten.

Was wird Ihr nächstes Plattenprojekt sein?

Ich bin bereits mitten drin. Derzeit nehme ich ein Concerto von Roberto Talbana und ich werde alle Concerti meines Vaters aufnehmen und von Riba. Als Soloprojekt nehme ich dann Bach auf und einige Altenglische Stücke. Also, Sie sehen, eine Menge Arbeit wartet auf mich.

Sie denken also nicht ans aufhören? 

Nein, nicht jetzt. Musik machen macht mir sehr viel Spaß und ich bin in einem guten Zustand. Sollte mein Spielvermögen nachlassen, dann werde ich in den Ruhestand gehen.

Ich danke Ihnen für das Gespräch.



Die Besprechung beim Harzer Kritiker

Die offizielle Website

Die Kreuzgang-Konzerte


Montag, 12. August 2013

Profitlich: Wir lachen doch alle ganz gerne

Markus Maria Profitlich im Interview über Tourstress und Kinder

Aus unerfindlichen Gründen bin ich wohl der Fragensteller für die Komiker und Scherzkekse. Jedenfalls war Markus Maria Profitlich der erste in einer langen Reihe von Interviewpartnern, die ihr Geld mit Witzen verdienen. Das Gespräch war unverkrampft, zumal wir auf gemeinsame Bekannte verweisen konnten und beide das harte Dasein eines Vaters aus Überzeugung teilen. Neben den beruflichen Dingen sprachen wir auch über überstandene Erkältungen und auch Profitlich sang das hohe Lied von der harten ehrlichen Arbeit auf der Bühne. Das Gespräch fand im September 2011 statt.

Herr Profitlich, Sie machen Film, Fernsehen und Live-Auftritte. Woran hängt Ihr Herz?

Mein Herz hängt an Allem, was ich mache. Aber die Bühne liebe ich ganz besonders, denn da komme ich ursprünglich her. Ich habe lange Jahre live auf der Bühne gearbeitet, unter anderem in der Springmaus in Bonn, bevor ich zum Fernsehen kam.

Was machen Sie lieber? 

Live auf der Bühne ist viel ehrlicher. Da kann man nicht sagen: Stopp, machen wir gleich noch mal. Man merkt auch gleich, ob ein Gag ankommt, nämlich, wenn vom Publikum gar keine Reaktion kommt. Nicht nur aus dieser Sicht ist live eben ehrlicher.

Lohnt sich das Risiko live?
Wenn ich auf der Bühne dann viele Lacher höre oder nach der Show in fröhliche Gesichter schaue, dann ist dies der schönste Lohn, denn man bekommen kann. Denn seien wir mal ehrlich: Wir lachen doch alle ganz gerne.

Markus Maria Profitlich hat viele Talente.
Foto: profitlich.de
Wie passt eigentlich die Schreiner-Ausbildung in ihre Bühnenbiografie?

Zwischendurch habe ich gedacht, es sei besser, wenn ich mein Leben auf den goldenen Boden des Handwerks stelle. Aber als ich dann die Gesellenprüfung hinter mir hatte, da war ich der graue Panther unter den Tischlern. Trotzdem möchte ich diese Erfahrung nicht missen. Es ist eben etwas anderes als nur für die Bühne zu leben.

Sie haben gesagt,live sei ehrlicher. Was machen Sie mit einem Witz, der nicht ankommt?

Der fliegt natürlich aus dem Programm. Wir entwickeln während der Tournee auch neue Dinge, die wir gleich am Abend ausprobieren,das ist der Vorteil von live. Aber  nicht jeder Gag kommt überall gleich gut an.
Seitdem Start im Frühjahr haben wir schon fünfzig Auftritte hinter uns und bis zum Ende der Tour im Dezember kommen noch einmal 35 Gigs dazu. Da gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Programm zum Start der Tournee und am Ende. Dabei schöpfen wir alles aus: Parodie, Stand-up und Improvisation. Das Publikum der letzten Termine müsste ja ein Programm von dreieinhalb Stunden aushalten. Schon allein deswegen fliegen die schwächeren Sachen raus.

Herr Profitlich, Ihre Frau steht mit Ihnen auf der Bühne. Belastet der Tourstress nicht die Beziehung?

Nein, ganz im Gegenteil, wir kommen uns näher.Wärend der Tour können wir Dinge besprechen, für die zu Hause keine Zeit wäre. Dort ist der ganz normale Wahnsinn mit Kindern und Schule und dem ganzen Drumherum. Im Tourbus haben wir das nicht.
Wir sind auch nicht sieben Tage die Woche unterwegs. Wir haben jetzt noch drei Auftritte in Hamburg und dann fahren wir erst mal wieder nach Hause. Sonst würden uns die Kinder auch ganz schön was husten. Außerdem darf ich aufder Toru bestimmen und zu Hause zeigt mir meine Frau dann wieder, wo es lang geht. Aber leider ist sie gerade stark erkältet.

Herr Profitlich, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihrer Frau Gute Besserung.




Die offizielle Website

Profitlich bei wikipedia

Die Springmaus in Bonn

Knopek: Mit klaren Willen zur Aufklärung

Lutz Knopek ist Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Göttingen - Osterode. Für die FDP ist er Mitglied im Sportausschuss des Deutschen Bundestags. Zum Thema Dopingstudie gab er mir folgende Antworten.
 

Herr Knopek, was ist der größere Skandal? Das systematische Doping in der Bundesrepublik oder der Umgang mit der Studie?

Wie umfassend Doping in Westdeutschland genutzt wurde und ob es wirklich ein systematischer Missbrauch war, muss jetzt eingehend bewertet werden. Aus diesem Grund haben SPD und FDP vor wenigen Tagen eine zeitnahe Sondersitzung des Sportausschusses beantragt. Wichtige Fragen neben der Dopingsystematik sind für mich die Frage nach der Freiwilligkeit der Einnahmen, ob Druck auf die Sportler ausgeübt wurde, besonders aber ob auch Jugendliche gedopt haben. 


Wie weit hat Sie das Ausmaß überrascht? Die Studie zitiert in weiten Teilen bereits veröffentlichte Untersuchungen und Recherchen.
 

Viele Einzelfälle sind schon seit Jahren bekannt. In den 1970er und 80er Jahren wurde mit dem Thema Doping noch nicht so kritisch umgegangen wie heute. Über die konkreten Hinweise auf eine staatliche Unterstützung von Doping war ich überrascht. Staatliche Sportförderung, die bei medizinischen Fragen über die Grenze des Legalen hinausgeht, stellt ihre Existenzberechtigung infrage. Förderfähig ist nur ein sauberer Sport.
Enttäuscht war ich, dass die Autoren der Studie noch im Juni im Sportausschuss keine substanziellen Aussagen zu strukturellem Doping machen wollten, man dann aber diese Informationen direkt aus den Medien geführt.

Was muss die Leitlinie bei der Aufarbeitung sein?
Umfassend, transparent und mit klarem Willen zur Aufklärung. Damit das geschehen kann, müssen Ross und Reiter genannt werden. Falsch verstandener Datenschutz darf eine zügige Aufklärung nicht vereiteln.


Dr. Lutz Knopek forderte Transparenz in
Sachen Doping. Foto: Bundestagsfraktion
Weiß der Sportausschuss des Deutschen Bundestags mittlerweile so viel wie die Süddeutsche Zeitung? Wann bekommt die Öffentlichkeit noch die "fehlenden" 700 Seite der Studie zu sehen?
 
Zunächst nicht. Deshalb hatte ich das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium aufgefordert, den Mitgliedern des Sportausschusses umgehend die gesamte Studie zukommen zu lassen. Das hat das Ministerium inzwischen zugesagt. Das Innenministerium muss jetzt dringend reinen Tisch machen. Eine Veröffentlichung der gesamten Studie wäre dazu ein erster Schritt. Die gekürzte Fassung ist auf der Internetseite des Bundesinstituts für Sportwissenschaften publiziert worden.
 
Werden am Ende die Anwälte der Funktionäre die Angelegenheit per Gerichtsbeschluss beerdigen?

Für mich ist wichtig, dass die Autoren der Studie klare Beweise vorlegen können, wenn Sie Sportler konkret des Dopings bezichtigen. Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung. Anonyme Hinweisgeber und Spekulationen machen die Autoren hier sicherlich angreifbar.
 
Die Bundesregierung und der zuständige Minister sehen keine Probleme, wenn Millionen von bundesdeutschen Kommunikationsdaten an die USA ausgeliefert werden, begründet aber die Verzögerungen bei der Veröffentlichung der Studie mit Datenschutzbedenken. Gibt es hier nicht ein Problem mit der Glaubwürdigkeit? Kann man die Diskrepanz erklären?
Die Bundesregierung steht vor der schwierigen Aufgabe, die Interessen des Datenschutzes mit den Abforderungen einer internationalen Terrorismusabwehr in Einklang zu bringen. Hier vertraue ich ganz besonders unserer liberalen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
 
Viele Sportverbände in Deutschland haben sich in der Vergangenheit gegen ein Ant-Doping-Gesetz stark gemacht. Wird nun klar warum?

Überhaupt nicht. Die Gründe, warum eine pauschale Strafbarkeit ins Leere läuft, sind vielfältiger Natur. Bei dem zu erwartenden geringen Strafmaß für einen überführten Dopingtäter halte ich die Verhängung einer Sperre durch die Verbände für wirksamer, weil abschreckender. Noch dazu treten Wettkampfsperren unmittelbar in Kraft. Einem angeklagten Dopingsünder steht dagegen immer der komplette Rechtsweg offen. Ein rechtskräftiges Urteil ergeht vielleicht erst in ein paar Jahren.
Der illegale Vertrieb und Handel von Dopingsubstanzen ist bereits durch das Arzneimittelgesetzes strafbar. Mit speziellen Anti-Doping-Regeln in den Athleten- und Sponsorenverträgen ist es möglich, von überführten Dopingsündern Preisgelder und Honorare zurückzufordern. Das ist trifft sicherlich einen besonders empfindlichen Punkt.

Nach Aussage der Wissenschaftler hat sich besonders der DFB durch mangelnde Kooperationsbereitschaft ausgezeichnet. Gibt es Möglichkeiten, die Verbände von der Dringlichkeit der Zusammenarbeit zu überzeugen?

Daran sollten alle Verbände aufgrund der öffentlichen Diskussion ein vitales Eigeninteresse haben. Daneben kann die Politik in Gesprächen Überzeugungsarbeit leisten. Ich kann mir schon vorstellen, dass wir die Bedeutung von Doping im Fußball in der Vergangenheit unterschätzt haben.
 
Die Autoren der Studie haben einen Maßnahmenkatalog mit 18 Punkten vorgeschlagen. Welche lassen sich davon mittelfristig umsetzen?
 
Einen weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf sehe ich aufgrund der von mir bereits beschrieben Instrumente zunächst nicht. Von den genannten Punkten halte ich insbesondere die Schaffung von Vertrauenspersonen für die Sportler und mehr zielgruppengerechte Informationen für sinnvoll. Mein Vorschlag, die Verträge mit Athleten und Trainern um einen Doping-Paragraphen zu erweitern, wird auch von den Studienautoren geteilt. Leistungsziele an sich infrage zu stellen, halte ich für übertrieben. Ziele sollte jedoch realistisch sein und mit legalen Mitteln erreicht werden.
Ich halte es für gewagt, wie die Autoren der Studie die Autonomie des Sports infrage stellen. Diese Struktur hat sich grundsätzlich bewährt. Dass ein staatliches organisiertes Sportsystem kein Garant für einen dopingfreien Sport ist, hat die DDR zweifelsfrei bewiesen.

Kommt nun auch ein Fond für Doping-Opfer West? Wer würde den finanzieren?

Wenn es auch im Westen, wie seinerzeit in der DDR, ein systematisches Zwangsdoping gegeben haben sollte, würde sich diese Frage in der Tat stellen.



Viola von Cramon zum selben Thema.
 

Freitag, 9. August 2013

Von Cramon: Die Sportverbände sind dazu nicht in der Lage


MdB Viola von Cramon-Taubadel zu den Enthüllungen im deutschen Sport und den Umgang damit.

SeitWochen sorgen die Enthüllungen zu den Doping-Praktiken für viel Aufregung in den deutschen Sportredaktionen und in der Politik. Ich sprach mit Viola von Cramon, sportpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion und Mitglied im Sportausschuss des Deutsche Bundestags, vor allem über die politischen Folgen dieser Wahrheiten.

Frau von Cramon, angesichts der Enthüllungen über das Doping in Westdeutschland sprechen einige davon, dass der Sport die deutsche Einheit schon in den 70er Jahren vorweggenommen hat. Sehen Sie auch so?

Nein, es gab schon Unterschiede zwischen Ost und West und die hat die Studie heruasugestellt. In der DDR hatten wir ein systematisches, flächendeckendes Doping mit staatlichen Zwang. Es gab den Staatsplan 14.25 und dem konnte man sich nicht entziehen. In der Bundesrepublik hatten wir zwar mehr als Einzelfälle, wir hatten echte Netzwerke aus Sportlern, Trainer und Sportmedizinern. Aber das Doping wurde nicht im selben Ausmaß dokumentiert und wissenschaftlich begleitet. Das Doping im Westen war individueller, es war lokaler und partieller. Aber der Druck, der in einigen Gruppen aufgebaut wurde, war genau so hoch, abhängig von den Sportarten, von den Trainer und den Mediziner. Sich dem zu entziehen, das verlangte Mut und das haben nicht viele geschafft.

Was ist der größere Skandal? Das Doping in Westdeutschland oder der Umgang mit der Studie durch das Bundesinneministerium?

Viola von Cramon hat einige deutliche
Aussagen im Gepäck. Foto: Kügler
Der Umgang mit der Studie ist schlichtweg eine Katastrophe. Über Wochen hinweg wurde die Öffentlichkeit, wurde das Parlament mit immer neuen Ausreden immer wieder zum Narren gehalten. Mal wurden Datenschutzgründe vorgeschoben, mal musste der Haftungsausschluss sichergestellt werden. Ich weigere mich auch, davon zu sprechen, dass die Studie veröffentlicht wurde. Nein, die Forscher wurden dazu verdonnert, still zu sein. Die 804 Seiten, die der Süddeutschen Zeitungen vorliegen, die haben wir im Sportausschuss des Deutschen Bundestags nicht bekommen. Diese 804 Seiten, die möchte ich aber sehen, die möchte ich in den Händen halten, ich möchte die Zeitzeugenberichte lesen, ich möchte wissen, wer involviert war, wer handelnder Akteur war. So lange werde ich keine Ruhe geben.


Was hat die Öffentlichkeit im Moment in der Hand?


Was zugänglich gemacht wurde, das ist die Zusammenfassung mit 117 Seiten. Uns wird vom Bundesinnenministerium suggeriert, das wäre es und nun könnten wir wieder zur Tagesordnung übergehen. So sind wir im Sportausschuss wieder zum Narren gehalten worden. Es wurde gesagt, dass diese 804 Seiten nicht den formalen Anforderungen genügen. 
Dabei haben die Forscher nach besten Wissen und Gewissen ihren Forschungsauftrag erfüllt. 
Sie haben mit mehr als 50 Zeitzeugen, mit Trainern und mit Mediziner gesprochen und eine hervorragendes Dokument erstellt. Nun sagen das Bundesinnenministerium und das Bundesinsitut für Sportwissenschaft: Liebe Forscher, das ist formal nicht in Ordnung, ihr müsst uns eine eingedampfte Version von 120 Seiten liefern. Für das Ministerium ist die Sache damit erledigt.


Aus ihrer Sicht ist es wohl nicht so.

Nein, das ist es nicht und ich denke auch nicht, dass das Ministerium und das BISp diese Sicht  werden halten können. Aber ich vermute, dass wir angesichts der Kandidatur von Thomas Bach für den IOC-Vorsitz noch vier Wochen hingehalten werden, bis wir die ganze Wahrheit erfahren.


Steht in diesen 117 Seiten etwas, was nicht an anderer Stelle schon einmal veröffentlicht wurde?

Es gab auf der Pressekonferenz zum zweiten Zwischenbericht im September 2011 eine Zusammenfassung, in der mehr Details zu finden sind als im aktuellen Abschlussbericht. Diese Zwischenbericht ist noch auf der Website des Sportjournalisten Daniel Drepper zu finden und ort gibt es einige brisante Details und einige Zitate, die auch die Süddeutsche veröffentlicht hat, die nun eben nicht mehr in den offiziellen Materialien zu finden sind.
Es ist natürlich klar, wer 1971 Bundesinnenminister war und mehr Medaillen gefordert hat. Auch die Statements von Wolfgang Schäuble sind ziemlich eindeutig zuzuordnen. Die Behandlung der Angelegenheit durch die Regierung ist misslich und unbefriedigend, aber es liegt an uns Sportpolitikern, das Problem grundlegend anzugehen und uns nicht abspeisen zu lassen.


Gibt es Möglichkeiten, die gesamte Studie einzufordern?

Der mediale Druck ist da sehr hilfreich. Wenn wir die Sondersitzung im September genehmigt bekommen, dann werden auch einige Berichterstatter eingeladen, neben den Sportfunktionären und dem Bundesinnenministern, den Forscher und den Kennenr wie Frau Berendonk, Herr Franke und Professor Treutlein. Das sind alles Menschen, die schon sehr lange in diesem Feld arbeiten. Mit solchen Experten kann man die Fragen angehen, die die Forscher der Humboldt-Universität und der Uni Münster aufgeworfen haben.


Welche Fragen gibt es, die noch beantwortet werden müssen?

Ein wichtiger Punkt ist vor allem die Aktenvernichtung. Da kann schon davon sprechen, dass bei der Vernichtung von Dokumenten mit krimineller Energie vorgegangen wurde. Offensichtlich hat jemand einen Auftrag zu Aktenvernichtung gegeben. Schon zu Beginn der Untersuchungen wurde deutlich, dass ausgerechnet die jüngste Vergangenheit zwischen 1990 und 2007 sehr dünn belegt ist. Trotzdem wurde ein brisanter Bericht erstellt. Deshalb muss es einen Folgeauftrag zur Erforschung geben.
Der organisierte Sport in Deutschland ist derzeit nicht in der Lage, über die eigene Rolle zu refklektieren. Hier brauchen wir unabhängige Experten. Der DOSB hat sich bisher überhaupt nicht an der Studie beteiligt, alles läuft über das BMI. Als erstes muss ein Stopp der Aktenvernichtung eingeleitet werden. Notfalls müssen wir im Rahmen der Sondersitzung versuchen, diese Akten zu rekonstruieren, um auch den Zeitraum ab 1990 zu untersuchen.


Einige Sportverbände wie der DFB haben jegliche Kooperationsbereitschaft vermissen lassen. Wie wollen Sie bei diesen Verbänden ein Umdenken bewirken?


Thomas Bach und der DOSB geraten zunehmend unter
Druck. Foto: Olaf Kosinsky/Wikimedia
Ich glaube, dass der DFB jetzt ein Imageproblem hat und er wird sich nicht lange nachsagen lassen, dass er großflächig Doping angewandt hat. Der beste Gegenbeweis wäre Transparenz und Offenheit. Der leichteste Weg dahin wäre die Bereitstellung von Dokumenten, wäre die Öffnung des Archivs. Auch der Deutsche Skiverband hat sich schwer getan und noch einige andere Verbände. In einem Forschungsfolgeauftrag darf es kein Umschiffen der Probleme geben. Eine schonungslose Offenlegung wie in den vergangenen Wochen in Frankreich, das wünsche ich mir auch für Deutschland.
Ein zweiter Punkt wäre es, mal zu schauen, ob einigen verdienten Funktionären nicht das Bundesverdienstkreuz aberkennen sollte. Dabeispreche ich nicht nur von Joseph Keul.  Das stände uns gut zu Gesicht.
Ein dritter Punkt wäre die Sorge um die Doping-Opfer im Westen. Zum einen müssen hier die Folgeschäden erforscht werden, zum anderen müssen diese Sportler auch finanziell versorgt werden. Wie ich schon einmal für die Doping-Opfer aus Ostdeutschland gefordert habe, brauchen wir keine Entschädigung, die schnell aufgebraucht sein kann, sondern wir brauchen eine Rente.


Brauchen wir eine neue Sportförderung?

Wir brauchen Transparenz in der Forschungsförderung und eine Übersicht über die vergebenen Aufträge. Wir brauchen Klarheit darüber, welche Aufträge in den letzten 30 bis 40 Jahren durch das BMI und das BISp gefördert wurden, wir brauchen Klarheit über den Umfang, die Inhalte und die Ziele dieser Förderung. Ich will wissen, was unsere Sportmediziner mit unseren staatlichen Mitteln machen.
Es geht auch um unsere weltweite Verantwortung. Deutschland ist eine internationale Sportnation, doch das Saubermann-Image müssen wir jetzt revidieren. Wir sind über Jahrezehnte eine führende Dopingforschungsnation gewesen. Nun stünde es uns gut zu Gesicht, die neuen Erkenntnisse mit anderen Nationen zu teilen. Die Konsequenzen, die wir jetzt daraus ziehen, ein echter und ambitionierter Anti-Doping-Kampf, die könnte jemand, der sich gerade als Präsident des IOC bewirbt hervorragend als Wahlkampf-Slogan nutzen. Heidi Schüller war in ihren Aussagen mutig und eindeutig. Alle deutsche Athleten haben bei Olympiade 1976 mitbekommen, was dort gelaufen ist. Nur Thomas Bach will davon nichts mitbekommen haben, das ist wenig glaubwürdig.


Da verlangen Sie aber einen großen Schwenk. Wir reden doch gerade über Personen, die bisher ein Anti-Doping-Gesetz, ähnlich wie in Spanien, Italien oder Frankreich, bisher verhindert haben.

Deswegen ist unser bisherigen Anti-Doping-Kampf auch so unglaubwürdig. Wenn die Anzahl der positiven Funde der Nationalen Anti-Doping-Agentur, der NADA, sich im internationalen Vergleich eher im unteren Drittel befinden, dann liegt dass nicht daran, dass bei uns nicht gedopt wird, wie Herr Bach behauptet. Es lliegt eher daran, dass bei uns so schlecht getestet  und kontrolliert wird. Wahrscheinlich sind die positiven Funde Sportler, die vergessen haben, sich rechtzeitig eine Ausnahmegenehmigung zu besorgen, und die wirklich kritischen Fälle bekommen wir gar nicht mit.


Kommen wir zu der Frage zurück: Was muss sich in der Sportpolitik ändern?

Also, wie gesagt, eine wirklich unabhängige und offene Darlegung des Problems wie im Bericht an den französischen Senat, so etwas stelle ich mir auch für Deutschland vor. Hier wurde mutig berichtet, obwohl es auch in Frankreich eine mächtige Drohkulisse durch die Funktionäre gab. Veröffentlichung der Gesamtstudie, Stopp der Aktenvernichtung und Rekonstruktion der Akten, diese Punkte hatte ich schon genannt.


Gut, das ist die Aufarbeitung. Aber wie sollte Sportförderung organisiert werden. Die Forscher fordern ja den Verzicht auf dasKriterium “Endkampfchance” bei der Förderung der Sportler. Stimmen Sie dem zu?

Es wäre wünschenswert, auch für den vierten oder fünften Platz mehr zu geben. Aber wir bekommen immer zu hören, dies ginge nicht. Es gehe um den Spitzensport und der lasse sich nur anhand von Medaillen messen. Spitzensport hat eine Vorbildfunktion und deshalb müssen wir schauen, welche Verbände Doping-Prävention und gesundheitliche Aufklärung betreiben oder ein nachhaltiges Konzept vorweisen können. Ich möchte keinen Schwenk zum Breitensport, ich möchte aber Transparenz darüber, wie Medaillen und Spitzenleistungen erzielt werden. ‘Das sind doch keine Staatsgeheimnisse. Leider gibt es in den Ministerien und den Verbänden ganz andere Meinungen dazu.
Wir brauchen auch die Möglichkeit, Sportbetrug mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu verfolgen, neben dem Anti-Doping -Gesetz. Dazu gibt es derzeit eine Initiative aus Baden-Württemberg im Bundestag. Wir müssen uns auf diejenigen beschränken, die über ihren Wettbewerb ihr kommerzielles oder persönliches Interesse  die Fairness im Sport stellen. Sponsoren sollten dann in der Lage sein, Regressforderung an diesen Sportler zu stellen.
Dazu muss die NADA mit einem verlässlichen Etat ausgestattet werden. Ich denke da an 5 Prozent von den 90 Millionen, die der Bund jährlich für zentrale Maßnahmen ausgibt. In Frankreich oder in der Schweiz wird übrigens mehr Geld bereit gestellt


Kann solch eine Herkules-Aufgabe gelingen?

Es ist ein Vorteil, dass die breite Öffentlichkeit nun weiß, wie Doping in Deutschland funktioniert hat. Außerdem haben die Ereignisse dazu geführt, dass die Zusammenarbeit im Parlament besser funktioniert. Vielleicht die Aufregung um die Verzögerung der Studie die positive Nebenwirkung, dass es nun ein breite Basis für grundlegende Änderungen in der Sportförderung gibt.


Frau von Cramon, ich danke Ihnen für das Gespräch. 


Dr. Lutz Knopek zum selben Thema.